Deutsche Bibliotheken unterfinanziert

Deutsche Bibliotheken unterfinanziert
Deutschlands Bibliotheken stehen nach Expertenangaben im Vergleich zum europäischen Ausland finanziell wesentlich schlechter da. Während die Bundesrepublik im Durchschnitt jährlich neun bis zwölf Euro pro Kopf der Bevölkerung für ihre Bibliotheken ausgebe, sei es in Skandinavien eine bis zu sechsfache Summe, sagte die leitende Bremer Bibliotheksdirektorin Barbara Lison dem Evangelischen Pressedienst (epd).
01.06.2014
epd
Dieter Sell

Lison gehört zu den mehr als 4.000 Experten aus dem In- und Ausland, die sich von Dienstag an zum 103. Deutschen Bibliothekartag in Bremen treffen. Auch die Niederlande und Frankreich gäben wesentlich mehr Geld für ihre Bibliotheken aus. "In Frankreich ist es das Doppelte und mehr", sagte Lison, die dem Vorstand des Deutschen Bibliotheksverbandes angehört. Bibliotheken seien ein wichtiger Baustein für Bildung und Integration. "Bei Leseförderung, Alphabetisierung, Textverständnis und Lesemotivation könnten wir mehr erreichen, wenn sie stabil und gut finanziert wären."

Trotz einer in Bremen höheren Investition von 17 Euro pro Kopf und Jahr müsse Personal reduziert werden, verdeutlichte Lison. Durch Automatisierung in der Ausleihe werde versucht, Lücken aufzufangen. "Das geht aber nicht bei der Leseförderung oder in der Kooperation mit Schulen: Die Schraube der Automatisierung hat ein Ende." Insgesamt kämpften viele Bibliotheken in Deutschland aufgrund chronischer Unterfinanzierung bei stetig wachsenden Aufgaben mit eingeschränkten Öffnungszeiten und der Schließung von Außenstellen.

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Andererseits werden Aktionen zur Leseförderung immer aufwendiger, sagte Lison. Statt der früher üblichen Bibliotheksführungen gibt es heute für Grundschulklassen abenteuerliche Schatzsuchen. Für Kinder unter drei Jahren bietet Bremen Aktionen wie "Gedichte für Wichte" an. "Da geht es mittlerweile um animiertes Lernen." Auch bei der Erhaltung des nationalen kulturellen Erbes durch Digitalisierung alter und neuer Bestände müsse eine Menge Zeit und Geld investiert werden. "Der Aufwand ist enorm, vom Bund gibt es aber kein Geld."

Trotzdem seien Bibliotheken als Orte, die in angenehmer Atmosphäre Inhalte vermittelten und dabei kostenlos besucht werden könnten, noch immer einzigartig in Deutschland und hoch attraktiv. "Wir werden überrannt von Schülergruppen, die bei uns in Lernstudios und auf Lerninseln mit flexiblem Mobiliar an ihren Projekten arbeiten." Dazu komme ein sozialer Aspekt, denn gerade für arme Menschen seien Bibliotheken wichtige Bezugspunkte. Lison: "Allein in Bremen haben wir mehrere Tausend Hartz-IV-Bezieher, die reduzierte Ausweisgebühren bezahlen."