Mit Blick auf den im Februar 2012 zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff sagte di Lorenzo: "Was viele Medien abgeliefert haben, war beschämend." Er habe Mitleid mit Wulff. Diese Fälle führten dazu, dass immer weniger Menschen bereit seien, "sich für eine Abgeordneten-Diät ans Kreuz nageln zu lassen".
Der Aufruf zu mehr Verhältnismäßigkeit sei allerdings "kein Plädoyer für Samthandschuhe", betonte di Lorenzo. "Jeder Journalist sollte selbst entscheiden, wann das Maß voll ist." Dabei dürfe kritisches Denken nicht zur Marotte verkommen. Das schnelle Urteilen über Gut und Böse sei oft viel zu einfach. Eine Aufgabe für die Medien könnte in Zukunft sein, "empathischer und verständnisvoller auf die Menschen zu blicken".
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Während seines Vortrags über "Die Macht der Medien in Deutschland" vor rund 850 Gästen in der Hildesheimer St. Michaeliskirche entschuldigte di Lorenz sich erneut für seine zweifache Stimmabgabe bei der Europawahl. Er habe sich arglos und in aller Öffentlichkeit zu den Stimmabgaben bekannt. Nach dem Europawahlgesetz dürfen Doppelstaatler nur in einem Land der EU ihre Stimme abgeben.
Jauch nimmt Di Lorenzo in Schutz
Allerdings sage es viel über Medien aus, wenn diese Geschichte öfter im Internet aufgerufen werde als Berichte über manches hochspannende Ergebnis der Europawahl, sagte di Lorenzo am Rande des Jahresempfangs des evangelischen Kirchensprengels Hildesheim-Göttingen.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen den 55-jährigen Journalisten wegen des Verdachts auf Wahlfälschung. Di Lorenzo hatte am Sonntag in der ARD-Sendung "Günther Jauch" zugegeben, dass er bei der Europawahl zweimal abgestimmt habe. Aufgrund seiner zwei Staatsbürgerschaften habe er eine italienische und eine deutsche Wahlaufforderung bekommen und sei beiden nachgekommen.
Der Fernsehmoderator Jauch nahm den "Zeit"-Chefredakteur in Schutz. Er kenne di Lorenzo "seit über 30 Jahren als ebenso aufrechten Journalisten wie aufrichtigen Menschen". Er frage sich, ob "wir die Maßstäbe für Schuld oder Unschuld, für Vorsatz oder Fahrlässigkeit, für Wichtiges oder vergleichsweise Nichtiges völlig verloren" haben, schrieb Jauch in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). Ihn habe fassungslos gemacht, was aus dieser "Petitesse" entstanden sei.