Politiker und Menschenrechtler bekräftigten derweil ihre Kritik an Erdogan. Sie werfen ihm die Unterdrückung von Minderheiten, Einschränkungen der Pressefreiheit und einen unsensiblen Umgang mit dem Grubenunglück von Soma vor, bei dem am 13. Mai über 300 Menschen ums Leben kamen.
Wahlkampfauftritt in Köln?
Erdogan will vor rund 30.000 erwarteten Zuhörern, die sich in und vor der rechtsrheinischen Kölner Lanxess-Arena versammeln, eine Rede halten. Anlass ist das zehnjährige Bestehen der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD). Die Alevitische Gemeinde erwartet zu einer von ihr angemeldeten Demonstration gegen Erdogan auf der linken Rheinseite ebenfalls mindestens 30.000 Teilnehmer. Sie vermutet, Erdogan wolle den Auftritt nutzen, um seine Anhänger für die türkische Präsidentenwahl Anfang August zu mobilisieren, bei der auch im Ausland lebende Türken abstimmen dürfen. Mit einer Kandidatur Erdogans wird allgemein gerechnet.
Bundeskanzlerin Merkel sagte, sie gehe davon aus, dass Erdogan "weiß, wie sensibel dieser Termin gerade diesmal ist, und dass er verantwortungsvoll auftritt". 2008 hatte Erdogan in Köln mit einer Rede über Integration für Irritationen gesorgt, in der er die Türkischstämmigen in Deutschland auforderte, sich nicht zu sehr zu integrieren und vor allem Türkisch zu lernen.
Keine Akkreditierung für kritische Journalisten
Zur Politik Erdogans erklärte Merkel, die Bundesregierung sehe "einige Entwicklungen in der Türkei mit Sorge, etwa das Einschreiten gegen Demonstranten, die Übergriffe auf die sozialen Netzwerke oder die Lage der Christen". Dennoch sei unbestritten, dass die Türkei mit dem islamisch-konservativen Regierungschef große wirtschaftliche Fortschritte gemacht habe, auch das Verhältnis zu den Kurden sei besser geworden.
###mehr-artikel###
Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) äußerte im SWR-Radio die Befürchtung, dass durch Erdogans Auftritt Konflikte in der Türkei "in unser Land und auch nach Köln übertragen werden". Die Journalistengewerkschaft dju kritisierte, die UETD verweigere bei ihrer Veranstaltung mit Erdogan kritischen türkischen Journalisten die Akkreditierung. Erdogan wolle die Berichterstattung in der Türkei über seinen Auftritt in Deutschland offenbar kontrollieren lassen. Der Verband war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hofft, dass Erdogan in Köln "gegenüber den Türkeistämmigen und in die deutsche Gesellschaft hinein versöhnliche, zusammenführende Töne anschlägt". Dann hätte sich der Besuch des Premiers gelohnt, sagte der Vorsitzende Safter Cinar der Nachrichtenagentur epd.