Odenwaldschule künftig unter strenger Aufsicht

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Odenwaldschule künftig unter strenger Aufsicht
Die Odenwaldschule im südhessischen Heppenheim steht ab sofort unter strenger Aufsicht.

Das ist das Ergebnis eines "aufsichtsbehördlichen Gesprächs", das Jugendamt und Staatliches Schulamt für den Kreis Bergstraße am Dienstag mit Vertretern der Schule führten. Dabei habe die Schule von einem weiteren Fall einer "Grenzverletzung in der Schüler-Lehrer-Beziehung" berichtet, sagte der Grünen-Politiker Matthias Schimpf (Grüne) dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Die Reformschule ist seit Bekanntwerden eines Missbrauchsskandals der 90er Jahre in einer Krise. 

Nach Schimpfs Darstellung muss die Schule dem Jugendamt und dem Schulamt "ab sofort" einen monatlichen schriftlichen Bericht über besondere Vorkommnisse vorlegen, in die Schülerinnen oder Schüler involviert sind. Auch wenn nichts vorgefallen sei, müsse dies schriftlich mitgeteilt werden, ergänzte der Kreisbeigeordnete. Wenn Schüler oder Eltern ihrerseits solche Vorkommnisse meldeten, müsse die Schulleitung das Schulamt oder das Jugendamt umgehend informieren. Der Schule sei "sehr deutlich" gemacht worden, dass ihr Ermessensspielraum dabei "sehr gering" sei.

Odenwaldschule muss Präventions- und Interventionskonzept überarbeiten

Darüber hinaus dringen die Behörden den Angaben zufolge darauf, dass die Schule zwei freie Stellen von insgesamt fünf vorgesehenen Sozialpädagogen bis zum Beginn des kommenden Schuljahres besetzt. Der Odenwaldschule wurde auferlegt, ihr Präventions- und Interventionskonzept zu überarbeiten. Auch das Betreuungskonzept, wonach die Schüler mit den Lehrkräften in Familiengruppen untergebracht werden, müsse auf den Prüfstand, sagte Schimpf.

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Die Reformschule mit angeschlossenem Internat in Heppenheim befindet sich in der größten Krise ihrer 104-jährigen Geschichte, nachdem vielfache Fälle von Kindesmissbrauch aus den 1990er Jahren bekannt wurden. Kurz vor Ostern musste die Schule zudem einen Lehrer entlassen, weil er Kinderpornografie besessen hatte. Wenig später kam heraus, dass der Mann schon seit einem Jahr wegen auffälligen Verhaltens unter "besonderer Beobachtung" gestanden hatte, das Internat diese Informationen aber nicht den Aufsichtsgremien des Kreises Bergstraße weitergab. Die Aufsichtsbehörden werfen der Schulleitung vor, zu spät und nur "scheibchenweise" reagiert zu haben.

Im Falle dieses Lehrers seien die Behörden in dem aufsichtlichen Gespräch von der Schule nun "mündlich" über ein weiteres Vorkommnis informiert, sagte Schimpf. Einzelheiten nannte er nicht. Man habe umgehend einen schriftlichen Bericht angefordert. Mit dem Fall des geständigen 32 Jahre alten Lehrers will sich am 23. Juni auch der Landesjugendhilfeausschuss befassen, der zusammen mit dem Landesjugendamt das oberste Aufsichtsgremium über die Internate in Hessen ist.

An der Odenwaldschule waren zwischen 1965 und 1998 insgesamt 115 Jungen und 17 Mädchen von Lehrern und Mitschülern sexuell missbraucht worden. Die Verbrechen wurden erst im Frühjahr 2010 nachhaltig aufgedeckt. Das Internat versprach Veränderungen, um Übergriffe künftig zu verhindern. Ab Mai wollen unabhängige Wissenschaftler aus München und Rostock untersuchen, wie es zur Häufung der Fälle an der reformpädagogischen Schule kommen konnte.