Jahrbuch Sucht: Deutschland ist Hochburg der Trinker und Raucher

Jahrbuch Sucht: Deutschland ist Hochburg der Trinker und Raucher
Deutschland ist ein Paradies für Trinker: In kaum einem anderen europäischen Land ist Alkohol so billig zu haben wie hier - mit fatalen Folgen für Gesundheit und Volkswirtschaft, wie das neue Jahrbuch Sucht belegt.
22.04.2014
epd
Markus Geiler

Beim Tabak- und Alkoholkonsum nimmt Deutschland international weiterhin einen Spitzenplatz ein. Laut dem am Dienstag in Berlin vorgestellten aktuellen Jahrbuch Sucht trank im vergangenem Jahr jeder Deutsche 9,5 Liter Reinalkohol und damit nur geringfügig weniger als 2012. Im Durchschnitt wurden 105,5 Liter Bier, 20,4 Liter Wein und 5,4 Liter Spirituosen konsumiert. "Im internationalen Vergleich befinden wir uns auf einem dramatisch hohem Niveau von legalen Suchtmitteln", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (Hamm), Raphael Gaßmann.

996 Zigaretten pro Einwohner

Beim Alkoholkonsum liege Deutschland unter den Top fünf von 34 OECD-Staaten: Nur in Luxemburg, Frankreich, Österreich und Estland werde mehr getrunken. Illegale Drogen mit Ausnahme von Cannabis spielen dagegen in der Bundesrepublik mit vier Konsumenten auf 1.000 Einwohnern im Vergleich eine untergeordnetere Rolle.

Die Entwicklung des Tabakkonsums würde zwar verhaltenen Grund zur Hoffnung geben, so Gaßmann. So sei der Anteil der Raucher und Raucherinnen seit einigen Jahren rückläufig. Aber noch immer rauchten 34 Prozent der 18- bis 64-jährigen Männer und über 26 Prozent der 18- bis 64- jährigen Frauen. Pro Einwohner wurden vergangenes Jahr 996 Zigaretten geraucht.

Fast zwei Millionen Alkoholabhängige

An den Folgen des Rauchens sterben jedes Jahr zwischen 100.000 und 120.000 Menschen, so Gaßmann. Damit löse sich eine mittelgroße Stadt wie Jena, Koblenz oder Ulm "sprichwörtlich in Rauch auf", hieß es. Durch Alkoholkonsum allein oder durch die Kombination von Alkohol und Tabak sterbe in Deutschland alle sieben Minuten ein Mensch. Das seien 74.000 Menschen pro Jahr, die problemlos die Plätze des Berliner Olympiastadions füllen könnten.

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In den Fokus rückten dabei immer mehr gutausgebildete, berufstätige Frauen, bei den denen der Alkoholkonsum überproportional ansteige, warnte die Suchtexpertin Gabriele Bartsch. Etwa zehn Millionen Menschen würden in Deutschland in gesundheitlich riskanter Weise trinken. Das heißt sie konsumieren täglich mehr als zwölf Gramm (Frauen) beziehungsweise 24 Gramm (Männer) Alkohol. Eine 0,3-Liter-Flasche Bier enthält knapp 13 Gramm Alkohol. Knapp 1,8 Millionen Menschen gelten als alkoholabhängig, weitere 1,6 Millionen trinken in missbräuchlicher Weise.

"Taschengeldkompatible" Preise

In der Präventionspolitik sei die Bundesrepublik ein "Entwicklungsland", sagte Bartsch. Unter den 34 OECD-Staaten steht Deutschland dort an 33. Stelle. Ein Grund: Die Alkoholsteuern sind mit die niedrigsten EU-weit. Bis auf Schaumwein werden Alkoholika entweder gar nicht besteuert (Wein) oder nur sehr gering (Bier). Die Suchtexperten nennen das "taschengeldkompatible" Preise, die Jugendlichen den Einstieg ins Trinken erleichtern. Dabei seien hohe Alkohol-Steuern erwiesenermaßen das wirksamste Präventions-Instrument, sagte Bartsch.

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Dazu müsste es zeitliche Begrenzungen des Alkoholverkaufs und effektive gesetzliche Regulierungen von Werbung geben. Freiwillige vermeintliche Selbstbeschränkungen der Industrie brächten gar nichts, sagte Geschäftsführer Gaßmann. Damit wolle die Industrie nur gesetzlichen Maßnahmen entgegen wirken: "Was nicht bindend ist, ist nicht effektiv."

Die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Folgekosten durch die Trinkerei liegen laut dem Jahrbuch bei 26,7 Milliarden Euro jährlich. Dem stehen knapp 3,3 Milliarden Euro an Alkoholsteuer-Einnahmen gegenüber. Das Rauchen verursacht Folgekosten von 33,6 Milliarden Euro jährlich bei 14 Milliarden Steuereinnahmen.