Gisela Höhne "brennt" für das RambaZamba

Foto: epd-Bild / Rolf Zöllner
Im Berliner Theater "RambaZamba" stehen geistig behinderte Schauspieler auf der Bühne
Gisela Höhne "brennt" für das RambaZamba
Auszeichnung für integrative Theaterarbeit
Gisela Höhne wollte als junge Frau mal an das Burgtheater, oder an die Volksbühne. Dann kam 1976 ihr Sohn mit Down-Syndrom zur Welt. Nach der ersten Krise sagte sie sich: "Wir gehen jetzt mit dem, das Leben ist jetzt mit ihm." Am Dnnerstag wurde die Leiterin des integrativen Theaters mit dem Caroline-Neuber-Preis ausgezeichnet. Sie inszeniert Stücke in Zusammenarbeit mit behinderten Menschen.
27.03.2014
epd
Nadine Emmerich

Die 65-Jährige ist streng bei der Arbeit mit ihren Schauspielern. "Ruhe Michi, du Schnatterbacke!", ruft die Regisseurin während der Proben für eine Winterszene, in der Schneeflocken aus Papier leise auf den Boden rieseln. "Langsamer, lass dir Zeit, mach eine Pause zwischen den Wörtern", instruiert sie Joachim. "Ich schone meine Schauspieler nicht", betont Höhne. "Ich hätte keine Lust auf so ein Mitleidsprojekt, wo ich immer nur mit Wattebällchen rumwerfen und sagen muss: Naja, er ist behindert, kann er eben nicht."

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Sie ist die Chefin einer besonderen Schauspielstätte: Seit 1991 leitet sie das integrative Theater RambaZamba in der Berliner Kulturbrauerei, das bis zu 90 Vorstellungen pro Jahr spielt und im In- und Ausland gastiert. Ihre ausverkauften Inszenierungen sind längst nicht mehr auf den "Soziales"-Seiten der Zeitungen zu finden, sondern im Feuilleton.

Für ihre Arbeit wurde sie schon mehrfach ausgezeichnet, am 27. März bekommt sie nun den Caroline-Neuber-Preis der Stadt Leipzig. Die Ehrung ist ein Theaterpreis, das ist Höhne wichtig, weil es würdigt, was sie mit ihrem Ensemble tut: auf hochprofessionellem Niveau arbeiten. Für ihre eigene Rolle dabei gilt: "Man muss brennen, und dieses Brennen überträgt sich."

Kein Zweifel, Höhne brennt lichterloh für das RambaZamba. Ihrem Enthusiasmus und ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass 35 Schauspieler am Theater offizielle künstlerische Werkstattplätze haben. Sie sprüht vor Begeisterung, wenn sie über ihre Arbeit spricht, gestikuliert, schwärmt von ihren Schauspielern. "Was ich erreichen wollte, habe ich erreicht, eigentlich auch mehr, als ich mir habe vorstellen können", sagt sie.

Höhne sagt nie: "geistig behindert"

Anfänglich war sie etwas unsicher, ob ihre Schauspieler sich überhaupt Text merken könnten. Heute sagt sie: "Sie entwickeln die Größe und das Pathos, dass einem die Luft wegbleibt." Den Begriff geistig behindert verwendet sie nie. "Ich sage gern: Sie haben eine andere geistige Ordnung."

Die Berliner Regisseurin und Schauspielerin Gisela Höhne erhält den Caroline-Neuber-Preis 2014 der Stadt Leipzig.

Höhne schreibt alle Stücke selbst. Bei den Proben entwickelt sie die Inszenierungen dann gemeinsam mit den Schauspielern, beispielsweise indem sie Situationen oder Gefühle vorgibt. "Du gehst nach Afrika, du musst den Koffer packen, du hast eigentlich Angst davor, aber du musst dahin, spiel das doch mal." Biografische Geschichten fließen ein, "die Rollen kommen einem aus den Spielern entgegen", sagt Höhne.

Eine höchst persönliche Geschichte steckt auch hinter dem RambaZamba. Schon mit 19 Jahren half die im thüringischen Suhl geborene Höhne in der Diakonie bei der Arbeit mit sehr schwer geistig Behinderten aus. Das war "schrecklich", erinnert sie sich, "ich habe das auch nicht durchgehalten". Ein Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch folgte, doch irgendwie fehlte so etwas wie "ein Sinn im Leben". Höhne begann, nebenbei Nacht- und Wochenenddienste in einer psychiatrischen Einrichtung mit dementen Frauen zu absolvieren.

1976 kam ihr Sohn mit Down-Syndrom zur Welt. Nach der ersten Krise sagte sie sich: "Wir gehen jetzt mit dem, das Leben ist jetzt mit ihm." Ein Heim für Moritz schloss Höhne aus, weiter schauspielern wollte sie aber auch - das klappte nicht. Sie bekam das zweite Kind und studierte noch einmal, nun Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität.

Geduld gelernt

Dass sie mal das RambaZamba gründen würde, war damals unvorstellbar: "Ich habe mich als Dramaturgin an der Volksbühne oder am Deutschen Theater gesehen." Doch weil sie so unzufrieden mit den Fördermöglichkeiten für ihren Sohn war, initiierte sie 1988 den Zirkus "Bimbo" mit behinderten Kindern.

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Vielleicht ist die Theaterchefin auch so erfolgreich, weil sie in allem immer etwas Gutes sieht. Heute blickt sie zurück und sagt: "Ich habe auch so viel Glück gehabt. Das Schauspielstudium war schön, der Beruf war schön. Moritz zu kriegen war erst nicht schön, später ja." Durch ihren Sohn ebenso wie durch ihre Schauspieler habe sie auch Geduld gelernt, sagt Höhne. "Auf einmal konnte Moritz Radfahren, das habe ich acht Jahre geübt mit ihm." Bis ihre Schauspieler rhythmisch trommeln konnten, vergingen insgesamt drei Jahre.