Der Erklärungsbedarf ist irgendwann nicht mehr von der Hand zu weisen. Als die Dinge schon aus dem Ruder laufen und niemand an Bord des Transatlantikfluges mehr weiß, was eigentlich gespielt wird, sieht sich der Air Marshal zu einem Ordnungsruf genötigt: "Hören Sie zu! Dies ist eine ziemlich komplizierte Situation!", beschwört er seine aufgebrachten Mitflieger. Dann aber unternimmt er gar nicht erst den Versuch, die komplexen Verwicklungen zu erhellen, sondern verspricht kurzerhand jedem Anwesenden Freiflüge, ein Jahr lang auf allen internationalen Strecken. Und plötzlich tun alle, was er will, gleichgültig, was da gespielt wird.
Ähnlich verfährt "Non-Stop" mit seinen Zuschauern, denen der Plot bald ebenfalls reichlich merkwürdig vorkommen dürfte. Das Drehbuch hält sich nicht lange mit Erklärungen auf, stattdessen kompensiert es die zahlreichen Luftlöcher dieses Trips mit Belohnungen in Form von Suspense und Action.
Zunächst scheint alles sehr übersichtlich. Der Film zeigt den erwähnten Air Marshal Bill Marks (Liam Neeson, der damit seiner beachtlichen Reihe an Actionaltersrollen eine weitere grimmige Figur hinzufügt) an Bord eines Nonstop-Atlantikflugs, wo er bald durch eine seltsame SMS beunruhigt wird: Ein Erpresser fordert 150 Millionen Dollar per Überweisung, ansonsten will er alle 20 Minuten einen Passagier töten. Fieberhaft versucht Marks, den Unbekannten unter den 200 Anwesenden ausfindig zu machen. Als schon die perfide zu Tode gebrachten ersten Opfer zu beklagen sind, verwirren sich die Verdachtsmomente, denn das Konto, auf welches das Geld überwiesen werden soll, läuft auf Marks’ Namen.
So steht der Beschützer der Passagiere plötzlich als ihr Entführer dar. Sein persönlicher Hintergrund, als reißerischer Steckbrief sofort verbreitet, passt leider nur allzu gut: vor ein paar Jahren der Verlust seiner kleinen Tochter, dann Alkoholprobleme, Zerfall der Ehe, Schuldenberge. Man nimmt Neeson diese beschädigte Existenz ohne Weiteres ab, und eine große Stärke des Films ist, dass er Marks’ Verhalten weit unterhalb aller Heldenhaftigkeit darstellt. Immer wieder rastet er aus, sein Verhalten ist nicht das eines Angeschlagenen, der unter Druck zu wahrer Größe findet, sondern das eines Überforderten.
Wechselnde Verdachtsmomente
Seine Paranoia überträgt die Inszenierung geschickt auf den Zuschauer. Sehr stilbewusst, in überwiegend bläulich-kalten Farbtönen durchmisst die Kamera jenen potenziell Klaustrophobie auslösenden Raum eines Flugzeugs 12.000 Meter über dem Atlantik, und jeder der Anwesenden könnte der Erpresser sein, weshalb jedes Gesicht, jede Geste, jeder Blick verdächtig wird.
Mit einem illustren Ensemble – darunter Julianne Moore, Michelle Dockery ("Downton Abbey") und Lupita Nyong’o ("12 Years a Slave") – setzt der Film ein Spiel von wechselnden Verdachtsmomenten in Gang, das sich irgendwo zwischen Whodunnit-Mustern à la "Mord im Orient-Express", 9/11-Motiven und rabiaten Actionszenen einpendelt. Dass der Plot bis ins Absurde überkonstruiert ist, mag Pedanten ärgern – letztlich macht aber gerade seine Nonchalance "Non-Stop" so sympathisch. So verbissen die Hauptfigur, so lässig der Film.
USA/Frankreich 2014. Regie: Jaume Collet-Serra. Buch: John W. Richardson, Christopher Roach, Ryan Engle. Mit: Julianne Moore, Michelle Dockery, Liam Neeson, Anson Mount, Lupita Nyong‘o, Bar Paly, Corey Stoll. Länge: 106 Minuten. FSK: ab 12 Jahre.