Das Arbeitspapier könne in seinem jetzigen Zustand den Eindruck erwecken, in der Schule werde künftig nur noch über Sex geredet, sagte Kretschmann am Sonntag in der Evangelischen Akademie Bad Boll bei Göppingen. Vorwürfe gegen die Regierung, sie wolle Schüler moralisch umerziehen oder betreibe "Gesinnungsterrorismus", wies der Ministerpräsident entschieden zurück.
Behandlung von "sexueller Vielfalt"
Der Streit am Bildungsplan entzündet sich am Thema "Akzeptanz sexueller Vielfalt", das künftig im Unterricht fächerübergreifend und intensiver als bisher behandelt werden soll. Kritik an dem Vorhaben kam insbesondere aus den Reihen konservativer Protestanten. Kretschmann wird sich am 27. März mit Vertretern der Evangelikalen treffen. Er wolle denen sagen, sie sollten für ihren Glauben eben missionieren, sagte der Ministerpräsident am Sonntag. Religionsfreiheit sei der Fortschritt der Moderne, der das Werben für eigene Vorstellungen erlaube.
###mehr-artikel###Den Verlauf der Debatte zum Bildungsplan nannte Kretschmann abstrus. Es gehe nicht darum, Schülern beizubringen, was sie über sexuelle Vielfalt zu denken haben, sondern sie zu einer eigenen, fundierten Auffassung zu bringen. "Toleranz kann man nicht in Kinder hineintrichtern."
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Baden-Württemberg bezeichnet die Art und Weise, wie sexuelle Vielfalt im Bildungsplan verankert werden soll, inzwischen als misslungen. Sie wirbt nun dafür, die Einführung des Bildungsplans zu verschieben und ein neues Leitprinzip "Anerkennung gesellschaftlicher und kultureller Diversität" aufzunehmen.
Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, sagte der Landesregierung im Einsatz für Toleranz und gegen Diskriminierung Unterstützung zu. Allerdings bestehe in einigen Teilen des Bildungsplans noch Interpretationsbedarf. July warnte insbesondere davor, die sogenannte Gender-Ideologie unkritisch in den Unterricht einzubringen. "Was gesellschaftlich umstritten ist, muss auch in den Schulen als umstritten abgebildet werden", so July.
Werbung für ganzheitlichen Bildungsbegriff
Thema der Tagung in der Evangelischen Akademie war die Frage nach einer modernen Reform der Gesellschaft. July und Kretschmann waren sich einig, dass aus historischer Sicht die Betonung der Bildung durch die Reformation den nachhaltigsten Beitrag zur Entwicklung im Land geleistet habe. Der Landesbischof sprach sich für einen ganzheitlichen Bildungsbegriff aus, der nicht nur dazu diene, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Kretschmann erklärte, er sehe in der Reformation auch die Vorbereitung der Aufklärung, die den Menschen zum eigenen Denken aufgefordert habe.