Streng genommen ist er zu jung für die Rolle. Aber Matthias Koeberlin spielt den vom Frankfurter Schriftsteller Jan Seghers erschaffenen Hauptkommissar Robert Marthaler so gut, dass wohl auch die Fans der Romane über den Altersunterschied hinwegsehen werden. Ansonsten hat das Drehbuchtrio (Christian Görlitz, Kai-Uwe Hasenheit sowie Regisseur Lancelot von Naso) nicht nur die Hauptfigur, sondern auch die Atmosphäre der Seghers-Krimi ausgezeichnet getroffen. Dass dieser Film, der hoffentlich nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe ist, eine ganz eigene Handschrift hat, ist unter anderem der Bildgestaltung von Felix Cramer zu verdanken. Wo Nachtszenen sonst gern taghell ausgeleuchtet sind, so dass man sich fragt, wo die ganzen Lichtquellen herkommen mögen, konnte Lancelot von Naso dank einer brandneuen lichtempfindlichen Digitaltechnik auch an nächtlichen Schauplätzen drehen, die ohne aufwändige Lichtlogistik ziemlich finster geblieben wären. So wirken die Szenen zwar immer noch düster, aber das Publikum tappt nicht im Dunkeln.
Perfides Spiel
Optisch passt das ohnehin perfekt, denn "die Braut im Schnee" ist ein Krimi mit starker Thriller-Tendenz; selbst abgebrühte Zuschauer werden mindestens einmal zusammenzucken. Reizvoll ist natürlich auch der Kontrast zwischen den glitzernden Bankentürmen und der Halbwelt, in die sich Marthaler und sein Team auf der Suche nach einem sadistischen Serienmörder begeben müssen. Der Killer stellt seine Opfer regelrecht zur Schau und treibt ein perfides Spiel mit der Polizei, zumal er alle Schritte der Ermittler vorherzusehen scheint.
Ähnlich wie die "Stralsund"-Krimis des ZDF lebt auch dieser Film von einem ausgezeichnet besetzten Ensemble (unter anderem Bernadette Heerwagen, Jürgen Tonkel, Tim Seyfi). Damit der Kommissar auch privat auf Trab bleibt, gibt es noch eine hübsche Spanierin (Ellenie Salvo González), die ihm zuliebe ihre Heimat verlassen hat; dummerweise vergisst Marthaler, sie am Flughafen abzuholen. Dieser denkbar schlechte Start in ein gemeinsames Leben tragt naturgemäß dazu bei, dass die ohnehin vielschichtige Hauptfigur noch interessanter wird.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Regisseur und Hauptdarsteller haben gerade die Melancholie Marthalers gut eingefangen, ohne sie allzu sehr vorzuführen. Gleichzeitig kann der Kommissar auch ziemlich unleidlich sein. Trotzdem ist der Film immer Krimi, erst recht, als sich eine Kommissarin (Heerwagen) als Köder für die Beste anbietet und dem Killer prompt in die Falle geht.