"Jesus hatte auch kein Festgeldkonto"

Foto: dpa/Peter Kneffel
"Jesus hatte auch kein Festgeldkonto"
Bayern hat einen neuen Vorzeigeprotestanten: Finanzminister Markus Söder (CSU), einziger evangelischer Minister im bayerischen Kabinett. Bei der Frühjahrstagung vom 30. März bis 3. April in Bayreuth sitzt er erstmals als berufenes Mitglied in der bayerischen Landessynode. Seine Meinung: Kirche sollte sich wieder mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Es sei nicht Auftrag der Kirche, Geld anzulegen, meint Söder mit Blick auf den Münchner Finanzskandal.
01.03.2014
epd
Christiane Ried und Achim Schmid

In der neuen Synode sind Sie das prominenteste Gesicht. Hat Sie die Berufung gefreut?

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Markus Söder: Für mich ist es eine Ehre, in der Synode zu sein. Ich bin gern evangelisch-lutherisch. Das Kirchenparlament ist eine Stimme gegenüber der offiziellen Kirchenführung. Das ist urprotestantisch: dass wir nicht nur warten, was von oben kommt, sondern dass wir auch mitreden und Empfehlungen an die Kirchenführung geben. Als ich gefragt wurde, war es selbstverständlich für mich, zuzusagen.

Sie sind gern evangelisch, warum?

Söder: Der christliche Glaube ist eine der unglaublichsten Chancen, die es gibt. Unser Ansatz heißt nämlich: 'Ich glaube, aber ich verschließe mich nicht vor der Welt.' Wissenschaftliche Entwicklungen werden nicht geleugnet, sondern man geht rational an die Themen heran. Dadurch wird Tradition mit Modernität und Weltoffenheit verbunden.

Über die Jahre habe ich gemerkt, dass ich aus meinem Glauben sehr viel Kraft und Optimismus schöpfe. Ich habe meine eigene Identität in Sachen Glaube und Kirche entwickelt. Vor allem als meine Eltern gestorben sind oder meine Kinder geboren wurden. Da bekommt man einen ganz anderen Bezug zum Leben und zum Glauben.

Die neue Synode hat sich vorab schon einmal getroffen. Wie war Ihr erster Eindruck?

Söder: Die evangelische Kirche ist so plural, das war auch mein erster Eindruck der Synode. Es gibt aber einen großen gemeinsamen Geist, der alle verbindet. Natürlich gibt es auch unterschiedliche Meinungen. Und: Die Synodalen sind sangessicher. Alle singen toll, mit kräftiger Stimme. Das hat mich beeindruckt. Das ist in mancher Kirchengemeinde zurückhaltender.

"Mir würde es gefallen, auch das evangelische Franken zu stärken"

Sie sind Finanzminister. Zieht es Sie jetzt auch in den Finanzausschuss der Synode?

Söder: Nein, ich möchte nicht dasselbe tun, was ich schon in der Politik mache. Das wäre kein Mehrgewinn für mich und für die Synode. Ich möchte Gesellschaftspolitisches und Spirituelles diskutieren. Vielleicht ist der Ausschuss für Gesellschaft und Diakonie interessant. Zudem habe ich mir vorgenommen, mir die erste Synode einfach mal anzuschauen und auf mich wirken zu lassen. Ich bin skeptisch bei Leuten, die schon bei ihrer ersten Sitzung im Parlament genau wissen, was alles besser gemacht werden muss.

An welchen Themen sind Sie dann konkret interessiert?

Söder: Mir ist es wichtig, dass wir uns als Kirche mehr öffnen. Wir sind in der Phase einer zunehmenden Säkularisierung und sollten daher nicht nur innerkirchliche Diskussionen führen. Wir sind eine Volkskirche. Ich erlebe manche Gottesdienste, bei denen ich mir denke: Schade, dass diese unglaublich starke christliche Botschaft zu wenig ankommt - nämlich: Du kannst schwach sein, du kannst Fehler machen, bist aber nicht verloren. Das Christliche ist in einer sozialen Gesellschaft eigentlich die nachhaltigste Botschaft überhaupt.

Und noch ein Gedanke: Mir würde es gefallen, auch das evangelische Franken zu stärken. Warum kann die zentrale Feier zum Buß- und Bettag nicht mal woanders als in München stattfinden?

Sie meinen also: Die Kirche sollte sich mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, sich mehr den Menschen zuwenden?

Söder: Der Kurs war über die Jahrzehnte sehr politisch. Hat das aber dazu geführt, dass wir in der Mission Erfolg hatten? Gehen Sie mal in die Buchläden: Es gibt viel mehr Esoterik-Bücher als politische. Ich fände es falsch, wenn wir als Kirche das spirituelle Thema irgendwelchen vermeintlichen Heilsbringern überlassen. Glaube ist die Kernkompetenz der Kirche. Mission ist ihre Aufgabe.

"Der Gottesdienst ist keine Pflicht, sondern er soll ein Höhepunkt sein"

Im vergangenen Jahr hatte die Synode ja das Schwerpunktthema "Gottesdienst".

Söder: Das fand ich wichtig. Der Gottesdienst wird häufig als zu selbstverständlich angesehen. Ein stimmungsvoller Gottesdienst aber ist das Zentrum des Gemeindelebens. Die Gemeinde und der Gottesdienst dürfen kein "closed shop" nur für die Engagierten sein. Beides muss auch offen sein für Leute, die Interesse an Gott haben, aber vielleicht nur einmal im Jahr in die Kirche gehen. Es gibt keine Exklusivität im Glauben. Derjenige, der sich den ganzen Tag mit Gott und Kirche beschäftigt, ist genauso wichtig für die Kirche wie derjenige, der in seinem Leben nur zeitweise Gott sucht.

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Wie können Gottesdienste besser werden?

Söder: Der Gottesdienst ist keine Pflicht, sondern er soll ein Höhepunkt sein und einen stärken. Es steht nirgendwo, dass in einer Predigt kein Humor vorkommen darf. Humor ist für viele Menschen der Schlüssel zur Seele. Wobei Kirche da schon viel weiter ist als vor 20 Jahren. Da war Lachen kaum vorstellbar. Mit dem Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche habe ich zum Beispiel einmal in der Jugendkirche Lux einen Star-Wars-Gottesdienst gemacht. Die Filme haben ja religiöse Bezüge. Das Ganze ist bei jungen Menschen intensiv angekommen, auch wenn einige Stimmen im Hintergrund skeptisch waren. Man muss neue Zugänge in die Herzen der Menschen finden. Wenn Kirche nicht offen ist, wer dann?

Wo muss Kirche in der Politik aktiv werden?

Söder: Der Schutz des Lebens ist die Kernfrage schlechthin. Und zwar am Anfang und am Ende des Lebens. Letzteres wird auf Dauer fast die gesellschaftspolitisch brennendere Frage werden. Wie gehen wir menschenwürdig mit Alten und Kranken um? Wie können wir sie auf den letzten Metern des Lebens begleiten? Auch bei Fragen um die Präimplantationsdiagnostik, Gentechnik allgemein, Klimaschutz und den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft sollte Kirche sich einmischen.

"Es reicht jetzt nicht, nur einfach 'sorry' zu sagen. Es müssen am Ende auch Konsequenzen stehen"

Wie haben Sie als Finanzminister das Finanzdebakel im Dekanat München aufgefasst? Bei riskanten Anlagegeschäften wurden ja fast 13 Millionen Euro in den Sand gesetzt...

Söder: Ist es überhaupt richtig, dass eine Kirche als Finanzmakler auftritt und an den Märkten Geld anlegt? Soweit ich mich erinnere, hatten Jesus und seine Jünger kein Festgeldkonto. Sollte man nicht überlegen, wie man Kirchensteuer und Spenden für die Menschen einsetzen kann? Ich bin nicht überzeugt, ob Kirche Rendite erzielen muss. 

Sie stellen also generell den Umgang von Kirche mit Geld infrage?

Söder: Nein, aber es muss erlaubt sein, dieses System zu hinterfragen. Auch die Synode sollte darüber diskutieren. Es ist eine Glaubwürdigkeitsfrage. Wer zu Recht die internationalen Finanzmärkte kritisiert und gleichzeitig selbst dort Akteur ist, muss sich die Frage stellen lassen. Es reicht jetzt nicht, nur einfach "sorry" zu sagen. Es müssen am Ende auch Konsequenzen stehen. Es ist wohltuend, dass die Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler und das örtliche Dekanat diesen Weg beschreiten. Beim Thema könnten wir uns vielleicht auch etwas vom neuen Papst abschauen.

Inwiefern?

Söder: Dass Franziskus Armut und Bescheidenheit stärker in den Mittelpunkt rückt, tut allen Kirchen gut. Man spürt, dass er damit Katholiken, Evangelische und auch viele Menschen außerhalb der Kirche fasziniert. Ist es nicht eine der wesentlichen Botschaften Jesu Christi?