Deutschland muss nach Ansicht des Deutschen Kinderschutzbundes mehr Geld investieren, um Kinder vor Misshandlung zu schützen. Besonders Präventionsmaßnahmen müssten stärker gefördert werden, sagte die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Marlis Herterich am Samstag im Radiosender WDR 5. Mehr Geld bräuchten auch die Jugendämter, die personell und finanziell unterversorgt seien: "Wenn ich 120, 150, 200 Fälle als Akten auf meinem Schreibtisch habe, dann verschwinden dahinter die Menschen und dann kann ich auch nicht mehr helfen."
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Herterich plädiert außerdem für mehr Netzwerke von Menschen, die mit Kindern zu tun haben. Sie begrüßte das am Donnerstag vorgestellte Buch "Deutschland misshandelt seine Kinder" von zwei Berliner Rechtsmedizinern, weil es eine wichtige Diskussion anstoßen. Die Autoren schildern drastische Fälle und schlagen zur Bekämpfung der Gewalt gegen Jungen und Mädchen unter anderem vor, Kinder bei Missbrauchsverdacht schneller aus den Familien herausholen. Das sei ihr aber "ein bisschen zu pauschal und zu schnell", sagte Herterich.
Der Sozial- und Jugendhilfeexperte Joachim Merchel verteidigte mit Blick auf das Buch die Jugendämter. Diese und die Kommunen hätten in den zurückliegenden Jahren aktiv und deutlich auf Fälle von Kindesmisshandlungen und -tötungen reagiert, sagte der Münsteraner Professor am Samstag im Deutschlandradio Kultur. So hätten die Jugendämter ihr Personal zwischen 2006 und 2009 um 19 Prozent aufgestockt.
Man werde jedoch auch künftig "damit leben müssen, dass trotz guter Arbeit der Jugendämter (?) es immer wieder Fälle gibt, in denen Kindern zu spät geholfen wird - in denen vorher Einschätzungen getroffen worden sind, die sich nachher nicht als tragfähig erweisen," sagte Merchel. Die in dem Buch erwähnte Dunkelziffer misshandelter Kinder von über 200.000 im Jahr halte er jedoch für übertrieben.