Der Bürgerkrieg in Syrien stößt immer mehr Menschen in Not und Elend. Voraussichtlich mehr als sieben Millionen Flüchtlinge werden 2014 in benachbarten Staaten sowie im eigenen Land von Nothilfe abhängig sein, erklärten die Vereinten Nationen (UN) am Montag in Genf. In unterschiedlich starkem Maße seien etwa 16 Millionen Syrer betroffen, fast drei Viertel der Gesamtbevölkerung. Für entsprechende Hilfsaktionen seien 2014 rund 4,7 Milliarden Euro erforderlich, erklärten die UN sowie andere Hilfsorganisationen. Das ist die größte Summe, um die UN-Organisationen jemals für ein einzelnes Land baten.
###mehr-artikel###Die Leiterin des UN-Büros für Nothilfekoordinierung (OCHA), Valerie Amos, rief die reichen Länder auf, die Menschen in dieser "entsetzlichen Krise" nicht allein zu lassen. "Während wir uns dem vierten Jahr dieser schrecklichen Krise nähern, stellen deren brutale Folgen für Millionen von Menschen die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen", sagte die aus Guyana stammende Diplomatin.
Nach den Worten des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, António Guterres, geht die Not über alles, was die humanitären Helfer in "vielen, vielen Jahren" erlebt hätten. Die Krise habe "dramatischen Einfluss auf die Nachbarn, auf ihre Wirtschaft, ihre Gesellschaft und Sicherheit." Falls der Konflikt andauere, werde die Mehrheit der Syrer Ende 2014 auf der Flucht oder auf Hilfe angewiesen sein. Vor Ausbruch des Bürgerkrieges zwischen dem Assad-Regime und der Opposition im Jahr 2011 lebten etwa 22 Millionen Menschen in Syrien.
Millionen in die Nachbarländer geflohen
Die 4,7 Milliarden Euro (6,5 Milliarden Dollar) sollen es mehr als 100 Partnerorganisationen erlauben, humanitäre Operationen für die Menschen in Syrien zu finanzieren. Darunter sind UN-Hilfswerke, internationale und nationale Hilfsorganisationen. Mehr als 2,3 Millionen Menschen sind den Angaben zufolge inzwischen vor dem Bürgerkrieg über Syriens Grenzen in die Nachbarländer geflohen. Für diese Männer, Frauen und Kinder wollen die UN und ihre Partnerorganisationen 4,2 Milliarden US-Dollar aufwenden. Zudem seien mehrere Millionen Menschen innerhalb des Landes auf der Flucht. Für diese Binnenflüchtlinge sind 2,3 Milliarden Dollar vorgesehen.
"Dies ist die schlimmste humanitäre Krise, die wir seit Jahrzehnten erleben, und jeden Tag wächst die Zahl gefährdeter Syrer, die dem Hunger ausgesetzt werden", sagte Muhannad Hadi, Nothilfekoordinator des Welternährungsprogramms (WFP) für Syrien. Der Strom der Flüchtlinge, die Syrien verlassen wollen, könne nur dann eingedämmt werden, wenn die Hilfe für Menschen in den Konfliktzonen des Landes deutlich verstärkt werde.
Auch 36 private und kirchliche Hilfswerke forderten die Staatengemeinschaft dringend zu einer Aufstockung der Syrienhilfe auf. Der Wintereinbruch habe die Not der Menschen in Syrien und der Flüchtlinge in den Nachbarländern verschärft, erklärten die Hilfsorganisationen in Berlin, darunter CARE, Oxfam, Save the Children und World Vision. Im Juni hätten die Vereinten Nationen um 4,3 Milliarden Dollar für Syrien gebeten. Bis heute seien davon aber erst 62 Prozent überwiesen.
Die syrischen Flüchtlinge im Libanon, in Jordanien, der Türkei, im Irak und Ägypten kämpften ums Überleben, heißt es in dem Appell der Hilfswerke. Die meisten hätten alle Ersparnisse aufgebraucht. Steigende Mieten, Arzt- und Lebensmittelkosten trieben die Familien in Schulden. Neben der akuten Nothilfe seien auch längerfristige Gesundheits- und Bildungsprogramme für die Flüchtlinge und die Gastländern nötig.
Luftbrücke in Kurdenregion gestartet
Unterdessen starteten die UN am Sonntag nach tagelanger Verzögerung eine Luftbrücke für zehntausende notleidende Bürgerkriegsflüchtlinge in Syriens entlegener kurdischer Region. Ein Flugzeug des Welternährungsprogramms (WFP) mit 40 Tonnen Lebensmitteln traf in Kamischli im Nordosten des Landes ein. Das WFP, das UNHCR und das Kinderhilfswerk UNICEF wollen rund zwei Dutzend Flüge mit humanitären Gütern in die Region organisieren, über die einer der härtesten Winter seit Jahren eingebrochen ist. Aufgrund des schlechten Wetters mussten die UN den ursprünglich für Donnerstag vorgesehenen Beginn der Luftbrücke verschieben.
###mehr-links###Seit dem Ausbruch des Konflikts im März 2011 sind in Syrien mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Erst am Wochenende starben in Aleppo bei einem Luftangriff durch Regierungstruppen mindestens 83 Menschen. Hubschrauberbesatzungen hatten unter anderem ein mit Sprengstoff gefülltes Fass über einer belebten Straßenkreuzung abgeworfen. Der Geheimdienst der Luftwaffe verschleppte nach Angaben der Opposition zwei Familien aus einer Unterkunft für Vertriebene in dem Damaszener Vorort Dscharamana. Die Militärs hätten die Zivilisten als Geiseln genommen.
UN-Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) gehen in ihren Schätzungen von etwa 2,9 Millionen Syrern aus, die in Ländern der Region versorgt werden müssen. In Syrien selbst seien 4,25 Millionen Menschen aus ihren Wohnorten in andere Landesteile geflohene Menschen von Nothilfe abhängig. Hinzu kämen Millionen, die wegen des anhaltenden Bürgerkrieges in ihren Heimatorten in unterschiedlich starkem Maße mit Lebensmittelgaben unterstützt werden müssten.