Deutschland hat am Samstag der Opfer der Pogromnacht vor 75 Jahren gedacht. Bundespräsident Joachim Gauck rief dabei zu mehr Zivilcourage auf: "Beides gehört zusammen: dass wir der schrecklichen Verbrechen gedenken, die vor 75 Jahren und danach an den Juden Europas verübt worden - und dass wir aufstehen und aktiv werden gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unseren Tagen", sagte Gauck am Samstagabend laut Redemanuskript bei einem Gedenkkonzert in Frankfurt an der Oder.
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Es müsse verhindert werden, dass Neonazis ihr Unwesen in Städten und Dörfern treiben, forderte der Bundespräsident. Er erinnerte dabei an die Morde der rechtsextremen Terrorgruppe NSU. "Wir müssen verhindern, dass Hass und Rassenwahn von neuem die Gehirne vernebeln und die Herzen verderben", sagte Gauck. "Wir müssen uns selber hindern wegzuschauen, wann immer und wo immer dies geschieht."
In der von den Nationalsozialisten angeschürten Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten deutschlandweit Synagogen und jüdische Geschäfte. Wohnungen wurden verwüstet und jüdische Bürger misshandelt. Nach Schätzungen von Historikern starben mehr als 1.300 Menschen während und infolge der Gewalt.
In Berlin veranstalteten die evangelische und katholische Kirche am Samstag einen dreistündigen Gedenkweg, der an der St. Marienkirche in Mitte begann und zum Gelände der zerstörten Synagoge in der Johannisstraße an der Oranienburger Straße führte. Daran beteiligten sich mehr als 1.000 Menschen.
Schaufenster-Aktion erinnert an den Pogrom von 1938
Insgesamt fanden mehr als 30 Einzelveranstaltungen anlässlich des 75. Jahrestags der Novemberpogrome in Berlin statt. Unter anderem hatte das "Aktive Museum - Faschismus und Widerstand" Berliner und Gäste aufgerufen, die stadtweit rund 5.000 Stolpersteine zu putzen, die an ermordete Juden erinnern. Mehr als 100 Einzelhändler, Geschäfte und Kaufhäuser gedachten mit einer "Schaufenster-Aktion" der Opfer. Sie erinnerten mit Fensterfolien in der Optik eingeschlagener Schaufenster an die Ausschreitungen von 1938.
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Am Nachmittag hatte Gauck im brandenburgischen Eberswalde den neuen Gedenkort "Wachsen mit Erinnerung" eröffnet. Der Bundespräsident sprach von einem "beindruckenden Mahnmal". Zahlreiche Menschen aus Eberswalde hatten sich in den vergangen Jahren dafür engagiert, dass auf dem ehemaligen Fundament der alten Synagoge ein ungewöhnliches Denkmal aus einer Mauer mit jüdischen Inschriften sowie wachsenden Bäumen entsteht.
Auf dem Gedenkweg durch Berlin betonte der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge, dass die judenfeindlichen Ausschreitungen 1938 kein Randphänomen gewesen seien. Zugleich äußerte er die Hoffung, "dass jüdisches Leben sich weiter lebendig in Deutschland ausbreitet." Ein positives Zeichen dafür sei, dass an diesem Gedenkwochenende gleich zwei Rabbiner-Konferenzen in der Bundeshauptstadt stattfinden und damit mehr als 600 jüdische Geistliche aus der ganzen Welt in Berlin versammeln.