Herr von Braun, die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) diskutiert über Welternährung unter dem Motto "Es ist genug für alle da". Ist eine Welt ohne Hunger wirklich bis 2030 erreichbar, wie von der Weltbank angepeilt? Oder bleibt das Utopie?
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Joachim von Braun: Eine Welt ohne armutsbedingten Hunger ist bis 2030 erreichbar, vielleicht schon bis 2025. Aber dazu müssten die Anstrengungen mehr als verdoppelt werden. Im Moment hungern noch zwölf Prozent der Weltbevölkerung, jeder acht Mensch auf der Erde. In den vergangenen 20 Jahren nahm der Anteil der Unterernährten mit 0,4 Prozentpunkten pro Jahr viel zu langsam ab. Das muss mehr als doppelt so schnell gehen, um den Hunger bis 2025 zu beenden. Hunger infolge von Kriegen und Konflikten erfordert zudem ein stärkeres friedenspolitisches Engagement - in Syrien, im Kongo und in Somalia.
Welchen besonderen Beitrag können die Kirchen im Kampf gegen den Hunger leisten?
Braun: Besonders wichtig ist das Engagement für das Menschenrecht auf Nahrung und das Einfordern von Innovationen, die Einkommen und Produktivität in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer steigern. Die Unterernährung bei Kindern erfordert gezielte Maßnahmen auf breiter Front, verbunden mit besserer Gesundheitsfürsorge, Hygiene und Trinkwasserversorgung. Zurzeit ist nicht genug für alle da. Es geht nicht nur um Umverteilung, sondern um große öffentliche und private Investitionen. Die Kirchen können auch einen großen Beitrag für einen Bewusstseinswandel leisten: Sie können die Menschen für das Ziel einer Welt ohne Hunger begeistern. Das können weder die Vereinten Nationen noch die Weltbank.
Was kann man aus den Fortschritten der vergangenen zwei Jahrzehnte lernen?
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Braun: Es ist immer ein Bündel von Ursachen: Da ist zunächst das wirtschaftliche Wachstum, das die Armen erreichte, aber vor allem auch die Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft. Kleinbauern, insbesondere Frauen brauchen mehr Zugang zu Märkten. Entscheidend sind auch Sozial- und Ernährungsprogramme. Der nachhaltige Konsument, der auf soziale und ökologische Belange achtet, und weniger Verschwendung sind ebenfalls Teil der Lösung. Dazu müssen in Zukunft Informationen und Anreize für Verbraucher geschaffen werden.