"Es ist ein Gebot sowohl der Mitmenschlichkeit als auch der Vernunft, allen europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern endlich gleichberechtigten Zugang zu Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zu gewähren", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, Ulrich Schneider, am Freitag in Berlin. Ähnlich äußerte sich auch der Bundesverband der Diakonie.
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Das nordrhein-westfälische Landessozialgericht hatte am Donnerstag in Essen geurteilt, dass arbeitslose EU-Bürger, die schon lange in Deutschland leben und ohne Aussicht auf einen Job sind, Anspruch auf Hartz IV haben. Das Jobcenter Gelsenkirchen muss nun einer vierköpfigen rumänischen Familie Hartz-IV-Leistungen zahlen.
Nach geltendem Recht haben EU-Bürger, die zur Arbeitssuche nach Deutschland einwandern, eigentlich kein Recht auf staatliche Unterstützung. Vom Ausschluss staatlicher Fürsorgeleistungen sind nach Angaben des Gerichts bundesweit etwa 130.000 EU-Bürger betroffen.
Wirtschaftliche Freizügigkeit auch sozial flankieren
Schneider sagte, der bisherige Leistungsausschluss sei mit EU-Recht unvereinbar und auch aus integrationspolitischer Sicht scharf zu kritisieren. Er riet allen Betroffenen, Hartz IV zu beantragen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen.
Auf die Städte und Gemeinden könnten nun zahlreiche neue Leistungsanträge zukommen. Experten befürchten, dass sich die Lage im kommenden Jahr durch weitere Zuwanderer verschärft.
"Wer EU-Bürgern Grundsicherungsleistungen wie Hartz IV vorenthält, begeht Rechtsbeugung", sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, in Berlin. Bürger der europäischen Union hätten grundsätzlich gleiche Rechte. Sie nahm die Bundesregierung in die Pflicht, die wirtschaftliche Freizügigkeit in der EU sozial zu flankieren. Die Regierung müsse die Kommunen unterstützen, die Nachzahlungen an Migranten nur schwer leisten könnten.