US-Präsident Barack Obama erwägt einen "begrenzten" und "eingeschränkten" Einsatz gegen das Regime des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Er habe jedoch noch keine Entscheidung über eine Militärintervention getroffen, sagte Obama am Freitag im Weißen Haus in Washington. Nach Angaben von US-Außenminister John Kerry hat die US-Regierung "klare und schlüssige" Beweise, dass das syrische Regime am 21. August chemische Waffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt habe.
###mehr-artikel###Die Frage sei nicht mehr, was bekannt sei, sondern was die Welt nun gemeinschaftlich dagegen unternehmen wolle, sagte Kerry. Bei dem Angriff seien 1429 Menschen getötet worden, darunter mindestens 426 Kinder. Dies sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, betonte Kerry. Nach Angaben von hochrangigen Regierungsvertretern steht eine "begrenzte militärische Antwort" zur Diskussion, die auf das Problem chemischer Waffen in Syrien "zugeschnitten und fokussiert sei".
Russland kritisierte die Aussagen Obamas scharf. "Diese Drohungen sind unannehmbar", teilte das Außenministerium in Moskau in der Nacht zum Samstag (Ortszeit) mit. Sogar enge Verbündete der USA würden sich für ein ruhiges Abwägen der weiteren Schritte aussprechen. "Das einseitige Anwenden von Gewalt unter Umgehung des Weltsicherheitsrats bedeutet ein Verstoß gegen internationales Recht, erschwert eine politische Lösung und bringt nur weitere Opfer", betonte Ministeriumssprecher Alexander Lukaschewitsch. Russland ist ein enger Verbündeter Syriens.
Syrien: Haltlose Lügen
Das syrische Regime wies Vorwürfe der USA als haltlose Lügen zurück. Diese basierten auf erfundenen Berichten von Rebellen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium des Bürgerkriegslandes am Freitagabend. "Nach tagelangen Übertreibungen (...) verlässt sich US-Außenminister John Kerry auf alte Lügen und erfundene Berichte, die Terroristen vor über einer Woche veröffentlicht haben", zitierte Sana.
Frankreichs Präsident François Hollande stützt die Analyse der USA über den Chemiewaffen-Einsatz in Syrien. In einem Telefongespräch mit Obama habe Hollande an Frankreichs große Entschlossenheit erinnert. "Frankreich wird diese Verbrechen nicht ungestraft lassen und fühlt die gleiche Entschlossenheit aufseiten Obamas", zitierte die Nachrichtenagentur AFP aus Hollandes Umgebung.
Keine Bodentruppen
Was auch immer die USA unternähmen, es sei keine "große Operation", sagte Obama. "Ein unbefristetes Engagement ziehen wir nicht in Erwägung." Es würden auch keine Bodentruppen eingesetzt. Eine US-Antwort auf die Geschehnisse in Damaskus solle sicherstellen, dass Syrien und die Welt verstehe, dass die Nutzung von Chemiewaffen nicht zugelassen werde. Zudem bestehe das Risiko, dass solche Waffen auch in die Hände von Terroristen fielen und später einmal "gegen uns" verwendet würden, sagte Obama. Er hatte einen Einsatz chemischer Waffen in Syrien zur "roten Linie" erklärt. Er wolle seine Entscheidung von den Interessen der Vereinigten Staaten abhängig machen, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin des Weißen Hauses, Caitlin Hayden.
Nach fünf Tagen beendeten die Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen am Freitag ihre Untersuchungen in Syrien. Einige Mitglieder des Teams reisten noch am selben Tag ab. Wann der Bericht der Experten vorgelegt werden könne, sei noch unklar, sagte ein UN-Sprecher in New York. Aus westlichen Diplomatenkreisen hieß es jedoch am Freitag, es werde mindestens 10 bis 14 Tage dauern, bis die Ergebnisse vorliegen könnten. UN-Generalsekretär Ban trifft sich am Samstag mit der aus Damaskus zurückgekehrten Leiterin der UN-Abteilung für Abrüstung, Angela Kane, in New York.
UN-Fachleute ziehen am Samstag ab
Solange sich die UN-Experten in Syrien aufhielten, galt ein westlicher Militärschlag als unwahrscheinlich. Insgesamt befanden sich am Freitagabend nach Angaben der Vereinten Nationen noch mehr als 1.000 UN-Mitarbeiter in Syrien. Die Chemiefachleute wollten am Samstag ausreisen.
Deutschland wird sich nicht an einem Militärschlag gegen das Assad-Regime beteiligen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) schlossen am Freitag einen Einsatz der Bundeswehr erstmals strikt aus. Die Hoffnung in Berlin ruht nun darauf, dass Russland und China ihren Widerstand im UN-Sicherheitsrat aufgeben und doch noch eine diplomatische Lösung möglich wird.
Zurückhaltung auch in den USA
Viele US-Abgeordnete und Senatoren äußerten sich zurückhaltend zu einem Militäreinsatz. Bei einer Telefonkonferenz von Regierungs- und Kongressmitgliedern, an der auch Kerry und Verteidigungsminister Chuck Hagel teilnahmen, wurde Kritik an den hohen Kosten eines Einsatzes laut. Zudem hätten mehrere Parlamentarier einen sinnvollen Schlachtplan mit klaren Zielen vermisst oder handfeste Beweise für die Verantwortung des syrischen Regimes an dem Giftgasangriff, berichteten US-Medien.