Denkmäler jenseits des Guten und Schönen

Das Lager Sandbostel im niedersächsischen Moor
Foto: epd-bild/Dieter Sell
Das Lager Sandbostel im niedersächsischen Moor wurde vor dem Verfall gerettet.
Denkmäler jenseits des Guten und Schönen
Tag des offenen Denkmals stellt unbequeme Architekturzeugnisse vor
Muss ein Denkmal unbedingt schön sein, romantisch und pittoresk? Muss es nicht. Neben Burgen und Klöstern widmet sich der "Tag des Offenen Denkmals" in diesem Jahr auch unbequemen Denkmälern: Bauten, die für Unterdrückung und Verbrechen stehen oder als hässlich gelten. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, was überhaupt erhalten werden soll.
08.09.2013
epd
Marlene Grund

Die Stiftung Denkmalschutz macht es sich mit dem "Tag des offenen Denkmals" diesmal nicht leicht: Es geht um Objekte, die dem landläufigen Bild vom "Schönen" widersprechen und sogar Unbehagen auslösen: Bunker, Festungs- und Verteidigungsanlagen, Konzentrations- und Arbeitslager, NS- und DDR-Bauten sowie vieles aus der Nachkriegsarchitektur. Schwere Kost für Architekturfans und Geschichtsliebhaber. Unter dem Motto "Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?" wird der Denkmaltag am 8. September in Saarbrücken eröffnet.

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Anlass für das Motto sei ein historisches Ereignis, sagt Wolfgang Illert, Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz in Bonn: Vor 80 Jahren, 1933, kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Das Thema "Unbequeme Denkmale" solle zum Nachdenken über eine zentrale Frage der Denkmalpflege anregen: Welche Gebäude sind erhaltenswürdig und warum?

Während mittelalterliche Burgen und Festungen mit ihren Kerkern, Verliesen und alten Munitionsdepots als erhaltenswert gelten, bleiben NS- und DDR-Bauten oder Nachkriegsarchitektur bis heute umstritten. Über ihren Erinnerungswert für künftige Generationen wird besonders dann debattiert, wenn die Erhaltung viel Geld kostet.

Es geht dabei auch um schmerzhafte Geschichtsorte, "Teile eines Erbes, das niemand haben will und das doch nicht ausgeschlagen und nicht beschönigt werden darf", wie der Münchner Kunstgeschichtsprofessor Norbert Huse (1941-2013) formulierte. Er sei es gewesen, der den Begriff der "unbequemen Baudenkmale" geprägt habe, würdigt die Stiftung Denkmalschutz.

"Schon Löcher in den Türmen für die Dynamitladungen"

Die NS-Ordensburg Vogelsang gehört zu dieser Art von steinernen Zeitzeugen. Bei Gemünd in der Eifel, oberhalb der Urfttalsperre in Nordrhein-Westfalen gelegen, war die Anlage zwischen 1936 und 1939 Schulungsstätte für den Nachwuchs der NSDAP-Führung. Mit fast 100 Hektar bebauter Fläche gilt sie als zweitgrößte bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus in Deutschland - nach den Parteitagsbauten in Nürnberg.

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Diskussionen um den Abriss gab es direkt nach dem Krieg unter den Siegermächten, wie Christin Wannagat erzählt, Pressesprecherin der Ordensburg Vogelsang: "Da gab es schon Löcher in den Türmen für die Dynamitladungen." Aber dann sei entschieden worden, die gigantische Anlage der belgischen Armee zu überlassen. Sie nutzte sie als Kaserne und Truppenübungsplatz, baute Verfallenes zum Teil wieder auf.

2005 gab sie den Komplex an die Bundesrepublik zurück. Eine Machbarkeitsstudie empfahl den Ausbau zum außerschulischen Lernort.  Ein Jahr später war die Anlage als "Internationaler Platz vogelsang ip" wieder der Öffentlichkeit zugänglich.

Sportverein schwimmt im NS-Hallenbad

Der 42 Millionen Euro teure Umbau dauert voraussichtlich bis Mitte 2014. Vorgesehen sind ein Besucher- und Tagungszentrum sowie Ausstellungen zur NS-Geschichte und zum Nationalpark. Das alte, bereits restaurierte NS-Hallenschwimmbad wird heute vom örtlichen Schwimm- und Sportverein genutzt. Auf jeden Fall sollte verhindert werden, dass die Ordensburg zu einer Wallfahrtstätte für Neonazis wird - was nach Worten von Pressesprecherin Wannagat auch gelungen ist.

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Es mag schwierig sein, durch solche Bauten an die NS-Vergangenheit erinnert zu werden, erklärt Rosemarie Wilcken, Vorstandsvorsitzende der Denkmalsschutzstiftung. Die Selbstinszenierung der NSDAP, die sich in der Strenge und Monumentalität der großflächigen Anlage ausdrückt, sei "erschütternd". Dennoch könne Vogelsang heute ein Lernort für eine friedliche Zukunft sein.

Zu den beispielgebenden Ausstellungsorten des Denkmaltags gehört in diesem Jahr auch das Lager Sandbostel im niedersächsischen Moor, eine der wenigen Gedenkstätten am Ort eines ehemaligen Kriegsgefangenenlagers in Deutschland. Mehr als 300.000 Kriegsgefangene, Zivil- und Militärinternierte lebten hier, rund 5.000 Gefangene und etwa 3.000 KZ-Häftlinge starben.

In den Abgründen nach dem Guten suchen

Das Lager ist nach Auffassung der Denkmalschutzstiftung ein Erinnerungsort von hoher Bedeutung. Bund, Land, Kreis und die Reemtsma-Stiftung renovierten die Gedenkstätte und setzten dafür einen siebenstelligen Betrag ein. Baracken wurden vor dem Verfall gerettet, zwei Gebäude der heutigen Dokumentations- und Gedenkstätte beherbergen heute eine multimediale Ausstellung.

Unbequem seien Bauwerke, die "an Abgründe unserer Geschichte erinnern, an Gewalt und Verbrechen, an Diktatur und Zivilisationsbruch", urteilt Bundespräsident Joachim Gauck in seinem Grußwort zum Denkmaltag. Aber auch "hinter dem, was zunächst schmeichelt, können Abgründe lauern - und auch in dem, was uns nicht sofort förmlich anstrahlt, lohnt es sich, nach dem Guten zu suchen."