Als seine Kommilitonen den Kopf noch mit ökonomischen Theorien voll hatten, dachte Franz Reinartz schon an den Alltag in deutschen Unternehmen. Und dabei ärgerte ihn vor allem ein Punkt: Kinder und Karriere sind so schlecht zu vereinbaren. "Das ist nicht nur ein Frauenthema", betont der 31-jährige Diplomökonom. "Auch als Mann möchte ich einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Betreuungssituation in Deutschland verbessert."
Gesagt, getan. Kurz vor seinem Examen an der Bergischen Universität Wuppertal gründete Reinartz 2006 mit drei Mitstudenten "Kita Concept" - eine Firma, die für Unternehmen betriebliche Kindergärten konzipiert und betreibt. Geholfen haben ihm dabei die Wuppertaler Ökonomieprofessorin Christine Volkmann und ihr Team am Lehrstuhl für "Entrepreneurship und interkulturelles Management". Im Juli 2010 zeichnete die UNESCO den Lehrstuhl für sein besonderes Engagement im Bereich soziales Unternehmertum aus.
Der Mensch steht im Mittelpunkt
Zehn UNESCO-Lehrstühle gibt es mittlerweile in Deutschland, weltweit sind es fast 800. Sie alle beschäftigen sich mit Themen, die der internationalen Organisation am Herzen liegen: Soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bildung. Finanziell profitieren die Lehrstuhlinhaber nicht von der Auszeichnung, aber sie haben Zugang zum weltweiten Netzwerk der UNESCO, nehmen an internationalen Tagungen und Projekten teil.
"Für eine Ökonomieprofessorin mag es etwas ungewöhnlich klingen, aber bei mir steht der Mensch im Mittelpunkt", sagt Christine Volkmann. "Wir können keine gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Veränderungen anstoßen, ohne dabei den einzelnen Menschen im Blick zu haben." Und das gilt weltweit. Deshalb arbeitet die Wissenschaftlerin schon seit 2005 mit der UNESCO zusammen. Sie hat ein MBA-Programm (Master of Business Administration) für Entrepreneurship und Innovation entwickelt und an der Universität in Bukarest eingeführt. In Kroatien und Serbien wirkte die Professorin beim Aufbau von UNESCO-Lehrstühlen im Bereich Entrepreneurship mit.
Die rumänische Wirtschaftsstudentin Anca Vladoi nahm an dem Programm an der Uni Bukarest teil, um mehr über soziales Unternehmertum zu lernen. "Meine Familie hat eine Firma im Bereich grüne Energie gegründet", erzählt die 28-jährige Studentin. "Aber wir wussten viel zu wenig von internationalen Märkten und davon, wie wir unser Potenzial strategisch einsetzen können." Mittlerweile macht Vladoi in Wuppertal ihren Master, ihre Familie in Rumänien unterstützt sie nun aus der Ferne.
"Nur die Vision reicht nicht"
"Zur Zeit suchen wir für unsere Produkte Lieferanten in Deutschland", erzählt Anca Vladoi. Das kleine Familienunternehmen läuft dank ihrer Unterstützung und Kontakte recht gut. Doch das sei in Rumänien eher selten, erzählt sie. "Es gibt so viele gute Geschäftsideen in meinem Land, aber uns fehlt oft der Mut und das Selbstbewusstsein, sie erfolgreich umzusetzen."
###mehr-artikel###
"Nur die Vision reicht nicht", bestätigt Doktorandin Christiane Blank. Sie betreut bei der Studentenorganisation "Enactus" studentische Gründer wie Franz Reinartz und arbeitet eng mit Christine Volkmann zusammen. "Es gehört auch viel Durchhaltevermögen und Leistungsbereitschaft dazu, eine eigene Firma zu gründen." Außerdem müssten auch sozial eingestellte Unternehmer das Wissen aus Seminaren zur Bilanzbuchhaltung oder zum Marketing drauf haben. Sie sollten wissen, wie sie Märkte analysieren, einen Businessplan erstellen oder Kreditgeber finden, sagt Blank.
"Bis uns das gelungen ist, mussten wir damals viele Klinken putzen", erinnert sich Franz Reinartz. Heute hat seine Firma über 50 Angestellte und Kunden. Sein Beispiel macht Studenten wie Said Bouyaozzan Mut. Der 30-Jährige, dessen Eltern aus Marokko stammen, hat gerade seine Masterarbeit geschrieben. Er möchte später eine eigene Unternehmensberatung gründen - für Migranten, die sich selbstständig machen wollen.