Pfarrer Wolfgang Graf aus Bensberg (NRW) hatte zwei Beerdigungen hintereinander. Der Friedhof liegt am Hang in der prallen Sonne, da musste er also zweimal raufmarschieren. Zu Beerdigungen trägt der Pfarrer selbstverständlich seinen schwarzen Talar. "Hinterher war ich fertig", stöhnt Graf. Er mag seinen Beruf sehr, vor allem Gottesdienste. Nur nicht, wenn es derart heiß ist. Eine Trauung in der kleinen überfüllten Kirche an einem Samstag im Juli war kleidungstechnisch überhaupt kein Spaß: "Da merkte ich, wie unterm Talar der Schweiß den Rücken runterlief, und beim Segen fielen Tropfen von der Stirn." Unangenehm – aber nicht zu ändern.
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Laut Paragraph 36 des Pfarrdienstgesetzes der EKD muss die Amtskleidung – also der Talar – zu Gottesdiensten und Amtshandlungen getragen werden. Bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen gibt es kein Entrinnen vor dem schweren schwarzen Kleidungsstück. Talare werden aus Schurwolle hergestellt, weil die besonders unanfällig für Knitterfalten ist. "Schurwolle ist eigentlich das Beste, was man tragen kann", meint Christian Barthelms, Inhaber der Firma Assmann, Fachlieferant für evangelischen Kirchenbedarf in Lüdenscheid. "Moderne Schurwollqualitäten transportieren den Schweiß nach außen wie Funktionswäsche. Man schwitzt nicht im Sommer und friert nicht im Winter." Soweit die Theorie. Doch bei über 30 Grad schwitzt man eben doch unter dem schweren Wollgewand.
"Da können Sie nichts machen, das müssen Sie aushalten"
Die Gewandmeisterei Wasmer in Issigau (Bayern) hat das Problem erkannt und einen speziellen Sommertalar ins Angebot aufgenommen. Das Stück besteht aus besonders hochgedrehter, also dünner Wolle vom einjährigen Schaf und ist "leicht wie ein Oberhemd", wirbt Inhaberin Martina Wasmer, "das macht schon sehr viel aus im Sommer". Die Rückmeldungen seien positiv, der Sommertalar verkaufe sich auch gut nach Italien oder Spanien.
Joachim Butter, Gemeindepfarrer in Flöha und Falkenau (Sachsen), hat sich den Sommertalar der Gewandmeisterei Wasmer vor einem Jahr zugelegt und sagt: "Das Ding ist gut!" Nicht nur bei Gottesdiensten im Sommer, sondern auch in überhitzten Altenheim-Räumen sei es im dünnen Sommertalar angenehmer, Gottesdienste zu halten. "Es ist darin einfach weniger warm." Allerdings kommt das neue Stück bei Beerdigungen in der Sommersonne an seine Grenzen. "Da kommt man schon ins Schwitzen, da können Sie nichts machen, das müssen Sie aushalten", seufzt Pfarrer Butter.
Als Alternative zum Talar sind in manchen Gemeinden leichtere weiße Alben vorgesehen. Sie sind "dünner, weil sie ohne Kräuselungen und Faltungen genäht werden", erklärt Talarschneiderin Doris Krause aus Eisenach. Pastorin Rossella Casonato aus Hamburg-Eimsbüttel besitzt so eine weiße Albe aus Baumwolle, trägt sie aber nur zu Taufen und großen Gottesdiensten, an Weihnachten und Ostern. "Für einen normalen Gottesdienst wäre das der falsche Codex", meint Casonato.
Wie luftig darf das Untergewand sein?
Am schwarzen Talar führt also meistens kein Weg vorbei, und sei es noch so heiß. Vielleicht wäre es eine Erleichterung, darunter möglichst wenig zu tragen - zum Beispiel Shorts und T-Shirt? Auch über Badehosen denken Pfarrer heimlich nach, schließlich kann die Gemeinde das Untergewand durch den schwarzen Stoff nicht sehen. Doch leider ist auch das keine Lösung. Denn der Talar reicht nicht bis auf den Boden, sondern nur bis über die Knöchel, und unten sollte die Gemeinde Hosenbeine zu sehen bekommen und keine nackte Haut.
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Pfarrer Graf aus Bensberg findet sogar, dass unter den weiten Ärmeln des Talars keine unbekleideten Unterarme herausgucken dürfen. Beim Segen rutscht der Talarstoff manchmal zurück und legt die Arme frei. Gegen dieses Problem empfiehlt Talarschneiderin Doris Krause Druckknöpfe in Höhe der Handgelenke, "dann können Sie kurze Ärmel drunter ziehen." Doch Pfarrer Graf zweifelt an der kühlenden Wirkung, wenn der Talar zugeknöpft wird: "Dann kommt ja auch keine Luft rein." Der Gemeindepfarrer legt Wert auf ein korrektes Äußeres und besteht auf weißen langärmligen Hemden unter dem Talar. Davon hat er im Sommer einen besonders hohen Verbrauch: Nach jedem Gottesdienst ist ein Hemd durch.
Pastorin Rossella Casonato ist bei der Untendrunter-Frage etwas gnädiger mit sich selbst als Pfarrer Graf: Sie trägt eine kurzärmlige weiße Bluse – so kommt zumindest ein bisschen Luft an die Arme. Casonatos Lieblings-Beinbekleidung im Hochsommer ist eine schwarze Seidenhose, die sie von einer Freundin geschenkt bekommen hat. Die Hose ist sommerlich dünn und wirkt trotzdem stilvoll. Die Pastorin findet: "Ich muss was unter dem Talar tragen, was vorzeigbar ist." Denn nach dem Gottesdienst zieht sie das liturgische Gewand aus und will dann auch beim Kirchkaffee ihrer Rolle entsprechend seriös auftreten.
Kurze Hosen sind tabu
Normalerweise trägt Casonato im Gottesdienst schwarze Schuhe mit Strümpfen. Doch an einem besonders heißen Sonntag im Juli war ihr das unmöglich. "Ich konnte mich nicht mit der Idee anfreunden, Strümpfe zu tragen", gesteht Casonato. So trug sie ihr einziges Paar Sommerschuhe, das barfuß tragbar ist – leider sind die Schuhe beige. "Das passte nicht, aber das war mir egal." Die Gemeinde hat nichts gesagt, nur eine Kollegin sprach sie auf den Stilbruch zwischen schwarzer Beinbekleidung und beigefarbenen Schuhen an.
Außerhalb des Gottesdienstes ist die Kleidungsfrage unproblematischer. Rossella Casonato trägt sehr oft ihre schwarze Seidenhose, denn sie passt zu jedem Anlass – ob Trauergespräch, Altenkreis oder Besprechung. Dazu weite Blusen, denn bei engen Oberteilen gibt es Schweißflecken, und "die muss man nicht sofort sehen", findet die Pfarrerin. Zum Konfirmandenunterricht zieht sie auch mal ein ärmelloses farbiges Kleid an, während Pfarrer Graf in Jeans und T-Shirt bei den Jugendlichen erscheint. Kurze Hosen allerdings sind für beide tabu. Aber das liegt mehr am persönlichen Geschmack als am Beruf: Wie die meisten Menschen fühlen sich Wolfgang Graf und Rossella Casonato mit bedeckten Beinen einfach besser angezogen – und sei es noch so heiß.
Dieser Artikel erschien das erste Mal am 2. August 2013 auf evangelisch.de.