Die Debatte über deutsche Unterstützung für den Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden wird erneut befeuert. Am Mittwoch hat die Jury des deutschen Whistleblowerpreises die Bundesregierung aufgefordert, den Spionage-Enthüller in Deutschland aufzunehmen. "Snowden hat ein politisches Erdbeben ausgelöst", sagte Jurymitglied und Vorsitzender der deutschen Sektion der Friedensorganisation IALANA, Otto Jäckel, in Berlin. Deutschland müsse dem US-Amerikaner einen sicheren Hafen bieten, um Konsequenzen aus seinen Enthüllungen zu prüfen.
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Neben IALANA gehören die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und erstmals auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland zur Jury des Whistleblowerpreises. Die Auszeichnung ist mit 3.000 Euro dotiert und soll am 30. August in Berlin an Snowden übergeben werden.
Snowden soll ins Zeugenschutzprogramm
Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter sei an die Öffentlichkeit gegangen, ohne für sich selbst einen Vorteil zu sehen, begründete Jäckel die Entscheidung der Jury. Ohne ihn hätte man nie von dem Ausspäh-Skandal erfahren. Jäckel forderte die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob Snowden in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden könne. Seine Informationen könnten dazu beitragen, aufzudecken, ob auch gegen deutsches Recht verstoßen worden sei.
Die Vorsitzende von Transparency International Deutschland, Edda Müller, sprach sich für einen gesetzlichen Schutz von Whistleblowern aus. "Das aktuelle Arbeitsrecht ist unzureichend", sagte Müller. Arbeitnehmer seien angehalten, sich loyal gegenüber ihren Vorgesetzten zu verhalten. Wer Missstände aufdecke, müsse mit persönlichen Opfern rechnen. Der Bundestag hatte Mitte Juni Anträge der Opposition für einen verbesserten Schutz von Hinweisgebern abgelehnt.
Zudem forderte die Transparency-Vorsitzende ein verbessertes internationales Datenschutzabkommen. "Wir brauchen eine Strategie, die uns vor Missbrauch schützt", sagte Müller. Es gelte, den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten. Das Beben, das Snowden ausgelöst habe, dürfe nicht zur Ruhe kommen, sondern müsse zu Konsequenzen führen.
Misstrauen in der Gesellschaft wächst
Hartmut Grassl von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler kritisierte die Haltung der Bundesregierung zu den Enthüllungen Snowdens scharf. "Es gibt keinerlei Aufklärung", sagte Grassl. Das Misstrauen in der Zivilgesellschaft wachse zunehmend. Die Bürger hätten große Zweifel, ob es im Sinne der Bundesregierung sei, ihre Privatsphäre zu schützen.
Snowden hat mit seinen Enthüllungen über die massenhafte Sammlung von persönlichen Daten durch den US-Geheimdienst NSA international für Aufsehen gesorgt. Er soll sich immer noch im Transit-Bereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo aufhalten, wo er am 23. Juni aus Hongkong kommend eintraf. Kehrt er in die USA zurück, droht ihm eine langjährige Haftstrafe.
Der Whistleblowerpreis wird seit 1999 alle zwei Jahre vergeben. Mit ihm sollen Persönlichkeiten geehrt werden, die in ihrem Arbeitsumfeld oder Wirkungskreis schwerwiegende, mit erheblichen Risiken oder Gefahren für Mensch und Gesellschaft, Umwelt oder Frieden verbundene Missstände aufgedeckt haben.