Als "moralisches Gedächtnis" frage die Autorin, ob Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit nicht die besseren Alternativen wären, erklärte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Frankfurt. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wird anlässlich der Frankfurter Buchmesse am 13. Oktober in der Paulskirche vergeben.
###mehr-artikel###Mit Berichten über Tschernobyl, den sowjetischen Afghanistankrieg und unerfüllte Hoffnungen auf ein freiheitliches Land nach dem Auseinanderbrechen des Sowjetimperiums lasse Alexijewitsch "in der tragischen Chronik der Menschen einen Grundstrom existenzieller Enttäuschungen spürbar" werden, erläuterte der Stiftungsrat des Friedenspreises. Die Schriftstellerin habe durch die Komposition ihrer Interviews zu einer eigenen literarischen Gattung gefunden, zu einer "chorischen Zeugenschaft".
Alexijewitsch, 1948 in dem ukrainischen Ort Iwano-Frankowsk geboren, wuchs in einem weißrussischen Dorf auf, studierte Journalismus in Minsk und arbeitete als Zeitungsreporterin und zeitweilig als Lehrerin. Inzwischen lebt sie als Schriftstellerin in Minsk. Alexijewitsch gehört im autoritär regierten Weißrussland zur geistigen Opposition. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt, einige verfilmt und als Grundlage für Theaterstücke herangezogen. Sie erhielt mehrere europäische Literaturpreise, darunter den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 1998.
Mehrfach vor Gericht
Zu ihren bekannten Büchern gehört "Tschernobyl - Eine Chronik der Zukunft". Der Titel "Zinkjungen" spielt auf die Zinksärge an, in denen die in dem sowjetischen Afghanistan-Krieg gefallenen Soldaten nach Hause transportiert wurden. Wegen des Buches wurde sie nach Angaben des PEN-Zentrums Deutschland mehrfach vor Gericht gezogen, in Weißrussland wurde der Titel vom Markt genommen. Nach dem Buch "Der Krieg hat kein weibliches Gesicht" über das Schicksal sowjetischer Soldatinnen im Zweiten Weltkrieg, die nach der Rückkehr von der Front verachtet wurden, erhielt sie ebenfalls eine Anklage. Sie verlor ihre Stellung bei der Zeitschrift "Neman".
Seit dem Regierungsantritt von Präsident Alexander Lukaschenko 1994 können nach Angaben des PEN-Zentrums ihre Bücher in Weißrussland nicht mehr erscheinen. Ihr jüngstes Werk "Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus" erscheint auf Deutsch am 26. August im Hanser-Verlag Berlin.
###mehr-links###"Ich habe nach einer literarischen Methode gesucht, die die dichtestmögliche Annäherung an das wirkliche Leben erlaubt", schreibt Alexijewitsch auf ihrer Homepage. "Ich habe ein Genre gewählt, in dem menschliche Stimmen für sich selbst sprechen." Für jedes Buch unterhalte sie sich mit 500 bis 700 Menschen und zeichne die Gespräche auf. Ihre Bücher umfassen die Erinnerungen von Zeitzeugen von der bolschewistischen Revolution in Russland 1917 bis zu den Folgen des Zusammenbruchs des Kommunismus.
"Aber ich nehme nicht einfach eine trockene Geschichte von Ereignissen und Fakten auf", schreibt Alexijewitsch über sich. "Ich schreibe eine Geschichte der menschlichen Gefühle, was Menschen dachten und erinnerten, was sie glaubten oder bezweifelten, ihre Illusionen, Hoffungen und Ängste." Eine ihrer Schlussfolgerungen lautet: "Keine moderne Technologie kann uns befreien von dem Drang zu lieben, fühlen und leiden."