Deutsche Energieversorger sind oft rigoros: Zahlen Kunden ihre Rechnungen nicht, wird der Saft abgedreht. Nach Schätzungen war das 2010 bundesweit 600.000 Mal der Fall. Rechtlich ist das nicht zu beanstanden, doch andere Länder vermeiden soziale Härten, die vor allem Arbeitslose, Geringverdiener oder arme Rentner treffen. Möglich wird das etwa durch ein Recht auf Grundversorgung mit Strom oder durch Sozialtarife.
###mehr-artikel###Belgien ist der Primus. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) preist den kleinen Nachbarn für sein weltweit bestes Modell sozialen Ressourcen-Managements. Viele ausgeklügelte Regelungen schützen arme Bürger. Landesweit steht ihnen eine Strommenge von 600 Kilowattstunden kostenlos zu. Eine vergleichbare Regelung gibt es für Gas. Zudem gibt es Sozialtarife. Eine Grundgebühr fällt nach Angaben des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie nicht an. Zudem wird der günstigste Arbeitspreis am Markt berechnet.
Fonds unterstützen Kunden bei Schulden
Als besonders vorbildlich gilt der Solidaritätsfonds, den der Staat und die Energieunternehmen durch eine Umlage der Kunden füllen. Dieser Topf ermöglicht finanzielle Hilfen, wenn es Bürger nicht mehr schaffen, ihre Energieschulden zu tilgen. Zuschüsse fließen aber auch für den Kauf energiesparender Elektrogeräte.
Zudem gibt es in Belgien verschiedene Angebote für Kunden mit Zahlungsproblemen. In Flandern und Wallonien ist der Einbau eines Budgetmeters (Geldkartenzähler) möglich. In Brüssel kann ein Strombegrenzer installiert werden. Dadurch bleibt eine kleine Strommenge ständig verfügbar, die Experten zufolge für den Fernseher, etwas Licht, Telefon und eine winzige Kochplatte reicht.
Strom, Gas, Wasser und Telefon geschützt
Frankreich hat seit dem Jahr 2000 ein Gesetz, dass das Kappen von Strom, Gas oder Wasser nahezu unmöglich macht. Sogar der Telefonanschluss ist geschützt. Sozialdienste haben ausreichend Zeit, zu intervenieren, denn Sanktionen sind so lange verboten, bis über den Antrag des Schuldners auf Unterstützung beim nationalen Hilfsfonds entschieden ist. Der tilgt nach Prüfung die Schulden bedürftiger Haushalte.
###mehr-links###Sperren - außer zwischen November und März - sind nur erlaubt, wenn Betroffene alle angebotenen Hilfen ablehnen. Zudem bieten französische Stromversorger Anspruchsberechtigten je nach Haushaltsgröße zwischen 30- und 50-prozentige Nachlässe auf die ersten 100 Kilowattstunden im Monat.
In Großbritannien existieren nicht in allen Provinzen ermäßigte Tarife für Bedürftige. Wo es sie gibt, ist ein Nachlass von 15 Prozent auf den allgemeinen Tarif zu haben. Eine Besonderheit ist der verbreitete Strombezug auf Vorkasse mit Prepaid- oder Münzzählern. Kunden haben so eine Kontrolle über ihren Verbrauch, und die Anbieter reduzieren das Risiko eines Zahlungsausfalls.
Teure Geräte bedeuten höhere Tarife
Allerdings ist der Einbau der Geräte teuer. Und: Die Kunden müssen laut Wuppertal Institut wegen des höheren technischen und administrativen Aufwands deutlich höhere Tarife akzeptieren als Kunden, die per Rechnung oder Lastschrift bezahlen. Rund 18 Prozent der "energiearmen" Haushalt auf der Insel nutzten 2008 Prepaid-Zähler.
Um Stromsperren möglichst zu vermeiden, gibt es ein weiteres bewährtes Instrument: Die britische Versorgungswirtschaft hat auf Anregung der Regulierungsbehörde Ofgem eine gemeinsame Datenbank aufgebaut, in der besonders schutzwürdige Verbraucher erfasst sind.
Regierung kämpft nicht gegen Energiearmut
All diese Möglichkeiten, den Kampf gegen Energiearmut voranzutreiben, lehnt die Bundesregierung ab. Auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag teilte sie jüngst mit: "Energiekosten können durch energiesparendes Verhalten und Energieeffizienzmaßnahmen individuell beeinflusst werden." Konkrete Schritte, Strom- oder Gassperren, einzudämmen, seien nicht geplant. Und: "Es besteht derzeit keine Notwendigkeit, die rechtlichen Möglichkeiten für die Vorgabe zur Einführung bestimmter Tarife zu prüfen."
Doch: "In Kürze wird es weitere bundesweite Energieberatungsangebote für private Haushalte geben." Der Eigenbeitrag der Bürger werde sehr gering sein, "für einkommensschwache Haushalte ist das neue Angebot kostenlos".