Die 56-jährige Professorin der Universität von Berkeley (Kalifornien) sei "eine der maßgeblichen Denkerinnen unserer Zeit", lobte das Kuratorium. Die Wahl der Wissenschaftlerin jüdischen Glaubens hatte wegen deren Kritik an der Politik Israels scharfe Reaktionen durch den Zentralrat der Juden in Deutschland ausgelöst. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Butler rief in ihrer Dankesrede zum Protest gegen soziale Ungerechtigkeit auf.
"Kein richtiges Leben im falschen"
Die Literaturwissenschaftlerin Butler zitierte in ihrer Dankrede laut Redemanuskript den Satz Adornos "Es gibt kein richtiges Leben im falschen". Dies führe zur Frage: "Wie kann man ein gutes Leben im schlechten führen?" Leben werde "unlebbar", wenn Menschen ohne ordnungsgemäßen Prozess eingesperrt würden, wenn sie in Kriegsgebieten oder unter Besatzung der Gewalt und Zerstörung ausgesetzt seien, wenn sie ihre Heimat verlassen müssen und in Grauzonen lebten, wenn sie entbehrliche Arbeitskräfte ohne Aussicht auf sicheren Lebensunterhalt seien.
In ihrer Laudatio hob die Literaturwissenschaftlerin Eva Geulen, die zum Wintersemester von Bonn an die Universität Frankfurt wechselt, Werke Butlers wie "Gender Trouble" ("Das Unbehagen der Geschlechter") und "Bodies that matter" ("Körper von Gewicht") hervor, die "herausragende Dokumente der Geschichte des Feminismus, Meilensteine der Geschlechterforschung" seien. Butler habe "mit ihrer These vom sozial konstruierten Charakter des Geschlechts einen Paradigmenwechsel initiiert". Ihr Werk habe viele wissenschaftliche Disziplinen verändert und sei "intensiv verstrickt" ins Zeitgeschehen.
Geschlecht, Subjekt, Moral
Das Kuratorium sprach Butler den Preis für ihre Arbeiten zur politischen Theorie, zur Moralphilosophie und zur Geschlechterforschung zu. Für Fragen über Identität und Körper seien Butlers Schriften maßgeblich und würden weltweit rezipiert. Als Vordenkerin eines neuen Verständnisses von Kategorien wie Geschlecht und Subjekt, aber auch der Moral, sei sie immer dem "Paradigma der kritischen Autonomie" verpflichtet. Elemente ihrer Theorien fänden sich in Werken der zeitgenössischen Literatur, dem Film, dem Theater und der Bildenden Kunst.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hatte die Wahl Butlers als "systemisches Versagen" des Kuratoriums kritisiert. Butler sei eine "bekennende Israel-Hasserin", die die "Todesfeinde des jüdischen Staates", die Hisbollah und die Hamas, als "legitime soziale Bewegungen" bezeichne, so Kramer.
Butler hatte in einem Zeitungsbeitrag die Kritik als "Denunziationen" zurückgewiesen. "Niemals könnte ich ein Bündnis mit einer Person oder Gruppe eingehen, die antisemitisch, gewalttätig, rassistisch, homophob oder sexistisch ist", erwiderte sie in einem Zeitungsbeitrag.
Alle drei Jahre vergeben
Der Theodor-W.-Adorno-Preis wird alle drei Jahre von der Stadt Frankfurt zum Gedenken an den Philosophen Theodor W. Adorno (1903-1969) vergeben. Er dient der Förderung und Anerkennung hervorragender Leistungen in den Bereichen Philosophie, Musik, Theater und Film. Der Preis wird traditionell am 11. September, dem Geburtstag Adornos, in der Paulskirche überreicht.
Dem Kuratorium gehören neben den ständigen Mitgliedern in diesem Jahr die Soziologin Martina Löw, die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz, der Philosoph Rainer Forst und der Kritiker Jürgen Kaube an. Preisträger des Jahres 2009 war der Filmemacher, Publizist und Philosoph Alexander Kluge.