"Alle, die von Liebe bewegt sind"

Foto: Mauritius/die Kleinert
"Alle, die von Liebe bewegt sind"
Alljährlich wiederholt sich das Spiel am 14. Februar: Überall da auf der Welt, wo zum Valentinstag die Liebe gefeiert wird, beschenken sich Verliebte und Liebende. Die Berliner St. Marienkirche am Alexanderplatz nimmt den Valentinstag zum Anlass, einen Gottesdienst zu feiern. Aus der Mitte Berlins, in die Mitte des Menschen. Ein Gottesdienst fürs Herz. Im Interview erläutert Pfarrerin Cordula Machoni, warum Valentinstag und Glaube zueinander passen.

Warum haben Sie sich entschieden, am Valentinstag einen Gottesdienst zu feiern?

Cordula Machoni: Valentin steht als Patron für die Liebenden und da wir als evangelische Christen die Liebe – die Nächstenliebe und die Liebe zu sich selbst – als die Mitte unseres Glaubens betrachten, ist es mein Anliegen als Pfarrerin, das in jeder nur möglichen Weise der Gemeinde verständlich zu machen und zu versprachlichen. Also feiern wir einen Gottesdienst.

Wer soll denn den Gottesdienst besuchen?

Machoni: Also, letztlich dreht sich dieser Valentinstag um die Liebe in allen ihren Facetten, deswegen heißt unserer Einladung auch: "Alle, die von Liebe bewegt sind", sind willkommen.

Pfarrerin Cordula Machoni

Also hoffen Sie auf viele Verliebte im Publikum oder auch auf unglücklich Verliebte?

Machoni: Natürlich hoffen wir, dass viele Verliebte in den Gottesdienst kommen, weil da die Liebe in der Gewalt des Gefühls so intensiv ist. Sie zeigt sich hier anders als bei Paaren, die schon länger zusammen sind oder bei Menschen, die sich getrennt haben. Aber auch die, die sich mit Liebeskummer beschäftigen oder einen geliebten Menschen verloren haben, möchten wir im Gottesdienst willkommen heißen.

Wenn also am Donnerstag ein unglücklich Liebender in den Gottesdienst kommt – was sagen sie diesem Menschen, damit er oder sie sich besser fühlt?

Machoni: Wir können an der Stelle nur Trost spenden und hoffen, dass es gut wird. Oft hilft es ja schon, wenn man unglücklich verliebt ist, Musik zu hören die traurig ist. Das ist reinigend und manchmal wird es besser davon. Ich werde von den unterschiedlichen Wegen der Liebe erzählen, mit allen ihren Brüchen und Kurven, Ecken und Kanten. Und vielleicht hört man zu, hält am Ende des Gottesdienstes kurz inne, bekommt den Segen Gottes zugesprochen – der nichts anderes will als das Gute und die Heilung für den Menschen –  und dann hilft das vielleicht ein wenig. Außerdem hoffe ich, dass Menschen über ihre gemeinsame Erfahrung miteinander ins Gespräch kommen.

"Wir werden zeigen, welche Wege die Liebe sich bahnt"

Was genau planen Sie denn in dem Gottesdienst?

Machoni: Es wird eine Mischung aus Wort, Musik und Erfahrungsberichten. Musik deshalb, weil sie anders als das Wort eher Herz, Bauch, eben unsere Sinne anregt. Und wir werden zeigen, welche Wege die Liebe sich bahnt. Zum einen treffen wir dort auf ein Paar, das sich über das Internet kennengelernt hat. Und dann haben wir zwei Menschen da, die schon über 30 Jahre miteinander verheiratet sind und immer noch von großer Liebe zueinander sprechen.

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Das heißt, beide Pärchen werden vorne stehen und über sich erzählen?

Machoni: Genau. Das eine Paar steht dafür, dass es nicht unbedingt ein körperliches Zusammentreffen braucht, um Liebe werden zu lassen und das andere steht dafür, dass auch in der Gegenwart, in der so vieles nur noch von kurzer Dauer ist, und trotz aller krummen Wege im Leben die Liebe andauern kann.

In der Einladung habe ich gelesen, dass der mittelalterliche Minnesang eine Rolle spielen wird.

Machoni: Das stimmt. Der Minnesang passt natürlich wunderbar an diesen Ort. Die St. Marienkirche ist ja fast 800 Jahre alt. Und es ist ja Liebeslyrik.

Die Kirche St. Marien am Alexanderplatz.

Aber warum Minnesang, es gibt ja auch andere Liebeslyrik?

Machoni: Diese mittelalterliche Mystik, die sich in dem Minnesang wiederfindet, nimmt eigentlich unsere zentrale Glaubensbotschaft auf. Nämlich, dass Gott uns mit dem Blick der Liebe betrachtet und annimmt, ohne nach dem Warum zu fragen. Die Mystiker haben das in ihrer Spiritualität sehr stark praktiziert. Sie haben sich durch Meditation, Einkehr und Stille in die liebende Nähe von Gott begeben. Das ist etwas, was sich in dem Minnesang sehr wiederfindet.

"Der Blick der Liebe ohne warum", was meinen Sie damit genau?

Machoni: Die Liebe ist ein Gefühl, das sich verschenkt, ohne die Erwartung, dass da etwas zurückkommt. Und das ist etwas, was in unserem Glauben trägt. Also zu wissen: Ohne dass ich jetzt eine besondere Leistung vollbringen muss oder ein besonders tolles Image von mir herstellen muss, bin ich ein geliebtes Wesen. Und aus diesem Geliebtsein ergibt sich dann vielleicht auch die Möglichkeit, mich selbst zu lieben und damit auch den anderen.

Kann man diesen Blick auch selbst üben und wenn ja: wie?

Machoni: Ja, ich würde sagen, man kann den Blick üben. Ich brauche dazu den Gottesdienst. Das ist der Ort, an dem mir diese Liebe zugesagt wird. In meinem stillen Kämmerlein kann ich das eher weniger. Da weiß ich nicht, ob das meine eigenen Bilder, Gefühle, Gedanken und Pläne sind oder ob das Gott ist, der zu mir spricht. Im Gottesdienst hingegen höre ich die biblischen Texte, mir wird der Segen zugesprochen und ich bin eingebettet in einen gemeinschaftlichen Gesang oder ein Gebet. Ich lehne mich an das an, was schon Jahrtausende alt ist und immer wieder funktioniert hat. Daraus bekomme ich die Gewissheit, dass Gottes Liebe wirklich ist.

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Und diese Vergewisserung …

Machoni: …braucht es eben, um dann sagen zu können: Mit dem Blick, mit dem Gott mich sieht, so möchte ich auch die Menschen in meinem Umfeld anschauen und darüber hinaus.

Braucht es heute Events, um Leute für die Kirche zu begeistern oder sie in der Kirche zu halten?

Machoni: Da würde ich ganz klar sagen, solche Events braucht es nicht. Ich würde es auch nicht als Event bezeichnen. Es ist ein Gottesdienst. Und Gottesdienste braucht unsere Kirche immer. Ich finde, es kann nicht genug Gelegenheiten geben, Gottesdienst zu feiern.

Und trotzdem ist der Valentinstag ja vor allem ein kommerzielles Fest.

Machoni: Am Valentinstag interessiert mich der Aspekt der Liebe, und wenn es eine Möglichkeit mehr gibt, zu sagen, was diese biblische Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen heute in die Wirklichkeit von Menschen hinein zu sprechen vermag, dann werden wir diese Gelegenheit beim Schopfe ergreifen. Damit wollen wir Menschen nicht einfangen, wir möchten einfach dem, was wir heute erleben, eine Botschaft entgegensetzen. Eine biblische. Und die sagen wir.