"Wir haben es mit einer Art Rasterfahndung zu tun", sagte er in der Fernseh-Talkshow "Tacheles", die am Dienstagabend in der Marktkirche in Hannover aufgezeichnet wurde. Im Zuge des medizinischen Fortschritts entstünden immer mehr genetische Untersuchungen auf mögliche Krankheiten. "Es wird einer schwangeren Frau aufgelastet, mit immer mehr Risiken umzugehen, nur weil sie schwanger ist."
Das sei für ihn eine falsche Haltung gegenüber dem Leben, sagte der Bischof. "Überzeugender wäre die Haltung: Ich will das Leben als Geschenk erleben." Hein ermutigte Eltern, Kinder auch mit einer möglichen Behinderung anzunehmen statt abzutreiben. "Ich kenne Eltern, die mit einem behinderten Kind ausgesprochen glücklich sind und sich ausdrücklich dafür entschieden haben."
Gentests seien auch ein wirtschaftliches Problem, betonte Hein. Eine Frau müsse heute für die Gewissheit, dass ihr Kind nicht an Trisomie 21 erkrankt sei, mehr als 1.200 Euro privat bezahlen. Und es gebe eine Fülle weiterer möglicher Erkrankungen. "Es wird ein Druck erzeugt, immer mehr Krankheiten erfassen zu wollen - das ist ein nahezu unbegrenzter Markt."
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik, Klaus Zerres, plädierte dagegen für die Gentests. Entscheidend für die Patienten sei medizinische Aufklärung. "Es wird zu wenig informiert, und es gibt zu wenig Kenntnisse, was eine Behinderung bedeuten kann." Zugleich forderte er mehr Inklusion und Wertschätzung für behinderte Menschen in Deutschland: "Es muss viel normaler sein, dass Behinderte um uns herum sind."
Zerres warnte vor einfachen Lösungen: "Es gibt Eltern, die lieben ihr behindertes Kinder, aber sie möchten, dass ihre andere gesunde Tochter nicht auch ein betroffenes Kind bekommt." Ein behindertes Kind groß zu ziehen, sei "nicht nur das pure Glück", wie er aus zahlreichen Gesprächen wisse, sagte der Professor der Universität Aachen. So gebe es "unendliche Kämpfe mit dem Sozialamt". Die Talkshow wird am Sonntag (27. Januar) um 17 Uhr auf Phoenix ausgestrahlt.