Die viel beachtete Neujahrsansprache von Staatschef Kim Jong-Un stimme zwar verhalten optimistisch, sagte die Regionalkoordinatorin der Organisation in Pjöngjang, Katja Richter, dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Rede wird aber nicht als Startschuss für umfassende Reformen gewertet." Die Ernährungslage bleibe angespannt. Energie und Rohstoffe seien knapp.
Kleinere Veränderungen in der staatlich gelenkten Wirtschaft Nordkoreas hätten bereits begonnen, etwa in der Landwirtschaft. "Alles geschieht aber mit Vorsicht und Bedacht", sagte Richter, die seit etwa vier Jahren in Nordkorea Projekte betreut. Die politische Führung versuche, die Lebensbedingungen zu verbessern. Die Ernährungslage der knapp 25 Millionen Einwohner bleibe aber auch nach drei guten Erntejahren ernst. "Doch zurzeit hungert niemand", erklärte sie.
"Man sieht Kinder, die viel kleiner sind, als es ihrem Alter entspricht"
Die Lebensmittel-Lager seien gefüllt. Engpässe drohten im Frühjahr, bevor das Wintergetreide reif ist. Der Mangel sei dennoch ständig sichtbar. Es fehle an Vitaminen und Proteinen: "Man sieht Kinder, die viel kleiner sind, als es ihrem Alter entspricht." Die Fehlernährung treffe vor allem Menschen, die ausschließlich auf die Rationen des staatlichen Verteilsystems angewiesen sind.
"Es gibt eine wachsende Mittelschicht", sagte Richter, fügte aber hinzu: "Die Masse der Nordkoreaner bleibt arm." Die anhaltende chronische Energieknappheit sei besonders im Winter problematisch, wenn die Temperaturen auf minus 20 Grad fallen. In Krankenhäusern, Ministerien, Schulen und Kindergärten sei es dann eiskalt. Oft sei nur ein Raum beheizt.
Richter sieht einen riesigen Reform- und Investitionsbedarf: "Die Landwirtschaft ist etwa auf einem Stand wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg." Gebe es in Nordkorea doch einmal moderne Maschinen, fehle es an Wartung und Training.