Die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche hätten seine Haltung zur Kirche "nicht erschüttert", sagte der Katholik Lammert vor rund 650 Zuhörern. Allerdings habe ihn "der lange Zeitraum und die erschreckend hohe Anzahl von Fällen sexuellen Missbrauchs" betroffen gemacht. "In einem Land, in dem mit den Verbrechen des Nationalsozialismus so Schreckliches geschehen ist, muss man davon ausgehen, das das, was man sich vorstellen kann, ganz offenkundig auch stattfindet," sagte Lammert.
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Über seinen persönlichen Glauben sagte Lammert, dass er in den bislang über drei Jahrzehnten im Bundestag "zu keinem Zeitpunkt für mich selbst an der Bedeutung von Religion, Glauben und Kirche Zweifel gehabt" habe. Bei vielen Fragen, in denen der Bundestag Entscheidungen treffen müsse, wie etwa bei der Präimplantationsdiagnostik oder aktuell bei der Sterbehilfe spielten für ihn und für viele Abgeordnete "religiöse Überzeugungen eine erhebliche Rolle, sagte Lammert auf der Veranstaltung "Als Christ in der Politik - Chancen und Grenzen" im Augustinus-Forum. Dennoch müssten kirchliche Erwartungen in solchen Fragen "nicht entscheidungsprägend" sein.
"Überheblich und arrogant"
An die katholische Kirche appellierte der Bundestagspräsident, sie sollte bei Themen, in denen ethische Aspekte eine Rolle spielen, ihre Haltung in die öffentliche Diskussion einbringen. "Aber den Anspruch, daraus die einzig vertretbare Lösung ableiten zu können, finde ich überheblich und arrogant", kritisierte Lammert unter Hinweis auf die Themen Präimplantationsdiagnostik oder Sterbehilfe.
Das Augustinus-Forum ist eine Gründung der Stiftung der Neusser Augustinerinnen. Es setzt sich mit gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Themen auseinander. Schirmherrin des Forums ist die Bundesministerin Annette Schawan (CDU).