Weiterer Organspendeskandal in Leipzig

Weiterer Organspendeskandal in Leipzig
Rund ein halbes Jahr nach dem Organspendeskandal in Göttingen und Regensburg ist nun ein ähnlicher Betrug am Leipziger Universitätsklinikum aufgedeckt worden.

Seit 2010 wurden offenbar die Daten von 38 Patienten für Lebertransplantationen gefälscht, wie der Medizinische Vorstand des Klinikums, Wolfgang Fleig, am Mittwoch in Leipzig sagte. Nach Darstellung Fleigs wurde angegeben, die Patienten hätten eine Blutwäsche erhalten. In Wirklichkeit wurde diese aber nie vorgenommen.

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Dadurch erschienen die Patienten kränker, als sie tatsächlich waren. Sie bekamen von der internationalen Organvermittlung Eurotransplant schneller eine neue Leber zugeteilt. Über die genauen Zeiträume könne nur spekuliert werden, sagte Fleig. Er gehe aber derzeit von einer Wartezeitverkürzung von durchschnittlich einer Woche aus. Die beiden Oberärzte, die das Transplantationsbüro des Klinikums leiteten, seien beurlaubt worden. Der Vorstand habe auch den Direktor der Klinik für Tranplantationschirurgie von seinen Aufgaben entbunden, sagte Fleig weiter.

Eine Untersuchungskommission von Deutscher Krankenhausgesellschaft, GKV-Spitzenverband und Bundesärztekammer hatte am 10. Dezember 2012 die Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. Demnach wurden 2010 und 2011 bei 37 Patienten falsche Daten eingetragen sowie 2012 bei einem Patienten. Fleig zeigte sich von dem Ergebnis "sehr überrascht". Die Ursache für die fehlerhaften Daten sei immer noch unklar. Eine Absicht könne noch nicht festgestellt werden. Auch einen Geldfluss halte er für relativ ausgeschlossen.

Staatsanwaltschaft schaltet sich ein

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat derweil auf Grundlage der Pressemitteilung des Universitätsklinikums vom Dienstag ein Prüfverfahren eingeleitet, wie Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch sagte. Es solle festgestellt werden, ob sich ein Anfangsverdacht für mögliche Straftaten ergebe. Davon hänge ab, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte angesichts der neuesten Fälle das "politische Versagen". Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) müsse jetzt endlich eine unabhängige Kommission beim Bundesgesundheitsministerium einrichten, der auch "kritische Ärzte, Ethiker und Juristen angehören, die nicht am Transplantationssystem beteiligt sind und damit Geld verdienen", sagte er.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sieht trotz der Leipziger Manipulationen deutliche Verbesserungen bei Organspenden. "Die Transplantationsmedizin in Deutschland war wahrscheinlich noch nie so sicher und vor Schummeleien geschützt wie derzeit", sagte Montgomery dem Berliner "Tagesspiegel" (Donnerstagsausgabe). Die Vorkommnisse von Leipzig seien ausschließlich "Fälle aus der Vergangenheit".

Mehr-Augen-Prinzip

Das Bundesgesundheitsministerium sieht derzeit keinen Anlass für Konsequenzen aus dem aktuellen Verdachtsfall. "Es wurde ja schon gehandelt", sagte eine Sprecherin in Berlin und verwies auf die zwischen Ärzten, Kassen und Kliniken vereinbarten verstärkten Kontrollen und das inzwischen verankerte Mehr-Augen-Prinzip bei der Beurteilung von potenziellen Organempfängern. Es sei Transparenz hergestellt worden, sagte sie. Die umfassende Aufklärung möglicher Betrugsfälle in der Vergangenheit habe außerdem das Ziel, Vertrauen in das Organspendesystem herzustellen.

Die stellvertretende Vorsitzende im Gesundheitsausschuss des Bundestags, Kathrin Vogler (Linke), forderte eine striktere Kontrolle. "Die neuesten Manipulationsvorwürfe aus Leipzig zeigen: Wir brauchen dringend eine öffentliche Kontrolle des Transplantationssystems", sagte die Linken-Politikerin. Richtlinienkompetenz, Koordination und Überwachung gehörten in öffentliche Hände.