Am Ende des Jahres, wenn der moderne Mann erschöpft ist von den Verkehrs-, Familien- und Bürokriegen des Alltags, ausgelaugt von all den Disziplinierungen seines Papierkriegerdaseins, freut er sich auf das große Bum-Bum-Bum im deutschen Fernsehen. Immer zur Weihnachtszeit zerlegen Bruce Willis, Clint Eastwood, Arnold Schwarzenegger oder Mel Gibson die Welt. Und das ist wunderbar!
Ja, der ein oder andere Friedensapostel ist nicht gerade begeistert, wenn John McClane in "Stirb langsam!" mal wieder ein Hochhaus zerdeppert oder einen Schurken zur Hölle schickt. Aber es muss Schluss sein mit dem fehlenden Verständnis für unsere Actionhelden und ihre friedensstiftende Kraft. Was wären wir, was wäre das Festtagsfernsehen ohne sie? Würden nur Carmen Nebel, der kleine Lord oder Wonneproppen Gottschalk zur Adventszeit erscheinen, würden die Familiendramen, die Gewalttaten, die Scheidungs- und Selbstmordraten sprunghaft steigen.
Lieber Bruce Willis als Florian Silbereisen
Es würde Blut fließen! Unterm Baum, auf den Straßen, in den Kaufhäusern, in den quetschquengelvollen Bussen und Bahnen. Es gibt vieles, was wir modernen Männer aushalten können, aber das Weihnachtsfest mit dieser mopsfidelen, karmesinroten tannennadelgrünen EC-Karten-Harmonie gehört zweifelsohne zu den Klippen, an denen auch Kerle wie wir scheitern können.
###mehr-artikel###
Geschenke aussuchen, einpacken, Grußkarten schreiben, Schwiegervatergezeter schultern, Plätzchen backen, stets konstruktiv und produktiv sein, Erbsen zählen, Kinder im strömenden Regen zu Chor- oder Krippenspielproben fahren, despotische Chefs ertragen, die Steuererklärung abgeben, Florian Silbereisen! Es reicht!
Wer möchte da nicht wie Michael Douglas in "Falling down" durch die Stadt laufen und die ganze blinkende Besinnlichkeitsfassade wegballern? Aber weil wir das nicht können, gehen unsere Helden für uns ans Werk. Weil die Welt unerträglich kompliziert ist, schlagen sie alles Komplexe kaputt. Weil unsere Muskeln immer dürftiger werden, lassen sie die ihren schwellen. Yippie-Ya-Yeah! Weil unsere Politiker wie Daniel Bahr oder Norbert Röttgen reden, knurren Bruce Willis & Co. nur das Äußerste. Weil unsere Ängste immer größer werden, wächst ihr Mut ins Unüberschaubare. Weil die Frauen im Leben immer öfter an uns vorbeiziehen, werfen unsere Helden sie für uns über die Schulter und tragen sie durchs Feuer.
Actionfilme sind Rheumadecke für die Seele
Während wir uns von Kompromissen entstellt fühlen wie von der Beulenpest, wissen sie nicht mal, wie man das Wort schreibt. Weil wir unsere Aggressionslust ständig bezähmen, feiern sie für uns Orgien der Zerstörung. Weil wir in Schubladen stecken wie Schmetterlinge auf der Nadel, führen sie Krieg gegen alle Regeln und Gesetze. Kurz und gut: der weihnachtliche Actionfilm im Fernsehen ist unsere Rheumadecke für die Seele, unser Sedativum und unser Stimulans, unser Aphrodisiakum.
Allerdings sollten einige Regeln beachtet werden, damit die volle Wirkung dieser Filme eintritt:
1. Actionfilme nur alleine schauen, niemals mit Kind, Frau oder Freund.
2. Actionfilme nur nach 22.00 Uhr genießen.
3. Es muss sich um die integralen, nicht zerschnippelten Fassungen handeln. Actionfilme, die von den Sendern gekürzt werden, damit sie jugendverträglich auch im Hauptabendprogramm laufen können, sind kastrierte Filme. Vor allem die Privatsender sind gefährliche Medizinpanscher.
4. Marzipankartoffeln im Angesicht eines Actionfilms verbieten sich, Chips sind okay.
5. Alkohol gehört dazu.
6. Pro Abend nicht mehr als einen Actionfilm.
7. Ein vorangegangenes Frusterlebnis (Ehestreit, verbranntes Weihnachtsessen, verfehlte Geschenke) erhöht die Wirksamkeit des Medikaments.
8. "Dinner for one" und die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin sind keine Actionfilme, bei Verwechslung drohen schwere körperliche und psychische Beeinträchtigungen.
9. Nach den Weihnachtstagen ist die Dosis an Actionfilmen herabzusetzen, allerdings nicht schlagartig.
10. Eine Actionfilm-Reserve (DVD etc.) sollte sich in jeder guten Hausapotheke befinden.
Wer all diese Regeln beachtet, wird das neue Jahr in bester seelischer Gesundheit und Ausgeglichenheit erreichen. Und für die Frauen: Gönnt uns das Geballer! Wir tun das nur für Euch!
Der Text von Thorsten Körner ist erschienen in epd medien 51/52.