Der wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium bilanziert in einer Studie zur Altersarmut hingegen, die maßgeblich von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) befeuerte Debatte im Sommer habe übertriebenen Pessimismus geschürt. Zuschussrenten für Geringverdiener, die seitdem parteiübergreifend diskutiert werden, lehnt der Beirat ab. Sie seien entweder nicht wirksam oder zu teuer und erzeugten neue Ungerechtigkeit, sagte der Leiter der Studie, Axel Börsch-Supan.
Ministerin verteidigt Pläne
Von der Leyen konterte sofort und verteidigte ihren Plan einer "Lebensleistungsrente" von 850 Euro im Monat. Dass es den heutigen Rentnern noch gutgehe, sei zwar richtig, sagte sie. Aber man dürfe künftige Probleme nicht kleinreden. Die Menschen müssten sich auch in Zukunft eine eigene Rente erarbeiten können. Das werde schwieriger, weil das Rentenniveau sinke: "Deshalb müssen wir gerade für die Geringverdiener etwas tun."
Auch auf dem Arbeitsmarkt muss etwas geschehen. Was, darüber sind von der Leyen und der Beirat unterschiedlicher Meinung. Während Börsch-Supan sagte, selbst ein Mindestlohn von über 14 Euro die Stunde im Westen und mehr als 16 Euro im Osten Deutschlands führe lediglich zu einer Rente von 850 Euro, argumentierte von der Leyen, Mindestlöhne, Kinderbetreuung und Hilfen für Alleinerziehende gehörten zur Vorbeugung gegen künftige Altersarmut.
Dass die Alleinerziehenden besonders schlecht dran sind, zeigen auch die Zahlen des Beirats: Jede zweite alleinerziehende Mutter und ihre Kinder sind armutsgefährdet. Unter den Migranten ist jeder Vierte von Armut bedroht, in der Gesamtbevölkerung jeder Fünfte, unter den Rentner indes nur jeder Sechste. Als armutsgefährdet gilt, wer als Alleinstehender nicht mehr als 952 Euro im Monat zur Verfügung hat. "Altersarmut ist gegenwärtig also nicht das drängendste Armutsproblem", bilanzierte Börsch-Supan. Nur 2,6 Prozent der über 65-Jährigen beziehen die Grundsicherung, dreimal weniger als der Anteil in der Gesamtbevölkerung.
"Armut politisch gewollt"
Die Nationale Armutskonferenz sieht die größte Gefahr in der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich und der Verfestigung der Armut. Trotz der guten Konjunktur bleibe die Armutsquote gleich hoch. Wer einmal arm sei, erhalte immer weniger Chancen, der Armut wieder zu entkommen. "Armut ist politisch gewollt", sagte die stellvertretende Sprecherin der Armutskonferenz, Michaela Hofmann bei der Vorlage eines eigenen "Schattenberichts", der den 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung kritisch bewertet. Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, kritisierte, Armutsbekämpfung erfordere Umverteilung. Dazu fehle der politische Wille.
Der regierungsamtliche Armutsbericht soll nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums im Januar im Kabinett beraten werden. Im November hatte es über den Bericht Streit zwischen von der Leyen und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gegeben. Auf Veranlassung Röslers waren deutliche Passagen über die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland aus dem Bericht gestrichen worden.