Die 33-jährige Karola Wiesner ist im achten Monat schwanger. "Es wird ein Junge", sagt sie und ihre Augen strahlen bei den Worten. Die Sozialarbeiterin wirkt glücklich und nicht wie eine Frau mit seelischen Problemen. Dennoch geht sie zusammen mit ihrem Freund seit zwei Monaten zu einer katholischen Einrichtung in Berlin, die Paare während der Schwangerschaft berät.
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"Mein Freund und ich haben eine gute Beziehung, doch jetzt, seit ich ein Kind erwarte, hat sich unsere Partnerschaft verändert", sagt Wiesner. Neue Themen sind bei ihr aufgekommen: "Ich muss viel über den Erziehungsstil meiner Mutter und Probleme in meiner Kindheit nachdenken", sagt die junge Frau. Sie möchte es bei ihrem Kind anders machen: Liebevoller mit ihm umgehen, weniger kontrollierend - und nicht so viel arbeiten, um gerade in den ersten Jahren mehr Zeit für ihre Familie zu haben.
Mit der Schwangerschaft beginnt der Stress
Wiesners intensive Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Kindheit belastet aber die Partnerschaft. Denn ihr Freund ist genervt von den vielen Gesprächen und überfordert bei den Themen. "Mir geht es nicht gut, mit den vielen Gedanken allein zu sein", sagt die werdende Mutter. Glücklicherweise sei ihr Freund bereit gewesen, mit ihr zur Beratungsstelle zu gehen. "Denn wenn das Baby erst da ist, wird es kaum noch Zeit geben, in der wir an unserer Beziehung arbeiten können", glaubt Wiesner.
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Die Annahme ist berechtigt: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung leiden Frauen nach der Geburt eines Kindes am meisten darunter, dass ihnen Zeit für sich selbst fehlt. Die Mütter berichteten dabei auch von zu wenig Zeit für die Beziehung zu dem Partner. Bei einer Umfrage der GfK Marktforschung Nürnberg im Auftrag der Zeitschrift "Baby und Familie" gaben 32 Prozent der Mütter und Väter an, im ersten Jahr nach der Geburt seien sie öfter angespannt und gereizt gewesen. Häufiger Streit war die Folge.
"In lediglich 20 Prozent aller Gespräche in unseren Schwangerschaftsberatungsstellen geht es um Abtreibung", berichtet Irene Finger vom Diakonischen Werk in Hessen und Nassau mit Sitz in Frankfurt am Main. Die Referentin für Frauen und Familie hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in dem Berufsfeld und weiß, dass eine Schwangerschaft viele verschiedene Probleme mit sich bringen kann: "Oft stehen bei den jungen Familien finanzielle Sorgen im Vordergrund."
Nur jede fünfte Beratung dreht sich um Schwangerschaftsabbruch
Die Beratung habe sich in den vergangenen 20 Jahren verändert. Sie sei viel komplexer geworden. Zunehmend gehe es in den Beratungsgesprächen um Entfremdung in der Partnerschaft, sagt Finger.Die hat auch Diana Warburg (Name geändert) erlebt. Als ihr Freund erfährt, dass er Vater wird, freut er sich zuerst. Einige Wochen später fährt er dann für Monate allein in den Urlaub. "Er ist vor der neuen Situation einfach davon gelaufen", sagt Warburg. Nach seiner Rückkehr waren ihre Gefühle für ihn abgekühlt. Heute sind sie getrennt.
"Bei unserer katholischen Einrichtung merkt man schon, dass es der Beraterin wichtig ist, dass wir als Paar zusammen bleiben", sagt Wiesner. "Deswegen sind mein Freund und ich aber auch da, bevor der Konflikt zu groß wird und es zu spät ist, die Beziehung zu retten." Die Berlinerin ist sehr zufrieden mit der Betreuung.