In der Anhörung ging es um eine Gruppe orthodoxer Priester, die sich gegen den Willen ihrer Kirche im Jahr 2008 zu einer Gewerkschaft zusammengeschlossen hatten. Das Grundsatzurteil der Großen Kammer des Gerichtshofs könnte sich auch auf das Arbeitsrecht der Kirchen in Deutschland auswirken. Vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt wird am 20. November ein Urteil zum Streikverbot der christlichen Kirchen in Deutschland erwartet. Die Straßburger Richter wollen in einigen Monaten entscheiden.
Eine einfache Kammer des Menschenrechtsgerichts hatte bereits im Januar 2012 geurteilt, dass das kirchliche Gewerkschaftsverbot für die rumänischen Priester eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit darstelle. Gegen dieses Urteil hatte die rumänische Regierung Einspruch eingelegt. Ein Sprecher der rumänischen Priestergruppe, Radu Chirita, unterstrich während der Anhörung: "Eine Gewerkschaft beeinträchtigt die religiöse Funktion der Kirche und ihre Autonomie in keiner Weise." Es gehe vielmehr darum, die Rechte der Mitglieder als Bürger zu verteidigen, sagte Chirita.
Chirita verwies darauf, dass die Priester ebenso wie andere Arbeitnehmer Sozialbeiträge abführten und zahlreiche Verpflichtungen hätten. Ihr Status sei mit dem von Angehörigen des öffentlichen Dienstes vergleichbar. In vielen anderen europäischen Ländern gebe es Priestergewerkschaften, unterstrich er: "Eine der größten Gewerkschaften katholischer Priester ist in Irland anerkannt, einem der katholischsten Länder in Europa."
Eine Sprecherin der rumänischen Regierung forderte die Große Kammer auf, der "vereinfachenden Herangehensweise" der einfachen Kammer nicht zu folgen. Vielmehr solle sie die tieferen Implikationen und Folgen des Falls bedenken. "Es geht im Wesentlichen darum, dass der Gerichtshof entscheiden muss, ob er die Vereinigungsfreiheit ausdehnt auf Kosten der Autonomie einer religiösen Gemeinschaft", sagte sie.