Die durch Flüchtlingsproteste ausgelöste Debatte über Rechte von Asylbewerbern hat am Mittwoch den Bundestag erreicht. Auf Antrag der Linksfraktion debattierte das Parlament in einer Aktuellen Stunde in Berlin über umstrittene Regelungen wie die Residenzpflicht, die Flüchtlingen das Verlassen eines Landkreises oder Bundeslandes verbietet. Vertreter der Opposition forderten deren Abschaffung. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), bekräftigte dagegen, daran festhalten zu wollen. Gegen die Residenzpflicht sprach sich auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) aus.
Schröder sagte, die Residenzpflicht sei ein Baustein für zügige Asylverfahren. Dafür brauchten die Behörden nicht nur eine Meldeadresse, sondern müssten auch sichergehen können, dass sich ein Asylbewerber dort aufhalte. Auch die Abschaffung des sogenannten Sachleistungsprinzips, nach dem in einigen Bundesländern die Sozialleistungen an Asylbewerber nicht in bar ausgegeben werden, lehnte Schröder ab.
Der Flüchtlingsexperte der Grünen-Fraktion, Josef Winkler, bezeichnete die Residenzpflicht als "menschenrechtswidrig" und das Sachleistungsprinzip als "reine Schikane". Auch Vertreter von SPD und Linksfraktion forderten ein Ende der Residenzpflicht. Die bundesrechtliche Regelung betrifft Asylbewerber im laufenden Verfahren und Geduldete. Zahlreiche Bundesländer haben die Regelungen innerhalb ihrer Befugnisse gelockert. Flüchtlingsorganisationen kritisieren die europaweit nur in Deutschland geltende Residenzpflicht.
Residenzpflicht "noch zeitgemäß"?
Nach Ansicht der evangelischen Kirche muss die Lage von Asylbewerbern in Deutschland grundlegend verbessert werden. Die EKD-Synode verlangte zum Abschluss ihrer Jahrestagung in Timmendorfer Strand die Abschaffung der Residenzpflicht wie auch des Arbeitsverbots. Das Asylverfahren müsse fair gestaltet werden. Das Kirchenparlament begrüßte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli, wonach es grundgesetzwidrig ist, zur Abschreckung von Asylsuchenden diesen nur eine Unterstützung unterhalb des menschenwürdigen Existenzminimums zu gewähren.
Seit zwei Wochen protestieren am Brandenburger Tor in Berlin Flüchtlinge gegen diverse Einschränkungen. Unter den Protestierenden sind auch Teilnehmer eines Demonstrationszugs von Bayern nach Berlin, der Anfang Oktober in der Hauptstadt ankam. Bei der Überschreitung von Landkreis- und Bundeslandgrenzen haben sie selbst gegen die Residenzpflicht verstoßen.
Ihr Protest begann mit einem Hungerstreik. Nach einem Gespräch unter anderem mit der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), wurde der Streik beendet. Böhmer sagte nach dem Treffen, man müsse sich fragen, ob die Residenzpflicht "noch zeitgemäß" sei. Vertreter der Opposition im Bundestag forderten die Regierungsfraktionen auf, sich Böhmers Überlegungen anzuschließen. Bei der Debatte am Mittwoch lehnten Union und FDP Änderungen bei der Residenzpflicht ab.