Das kirchliche Jubiläum verdeutliche, wie sehr die Reformation zu tiefgreifenden Veränderungen in Gesellschaft und Politik geführt habe, sagte der Leitende lutherische Bischof Gerhard Ulrich. Zugleich blieben die Kirchen gefragt, was sie dafür tun können, dass Menschen sich auf den christlichen Glauben beriefen. Hinsichtlich des Reformationsjubiläums 2017 warb Ulrich für eine doppelte Blickrichtung: Eine Veränderungsbewegung für die Zukunft, die den Namen Reformation verdiene, sei zugleich "eine Umkehr, eine Wiederherstellung, eine Rückkehr zum Ursprung".
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Zentral für das auf der Reformation beruhende Glaubensverständnis ist der Freiheitsbegriff, sagte Ulrich. Neben Freiheit von Sünde, Tod und Teufel gehöre dazu auch Freiheit zu Solidarität und Nächstenliebe: "Freiheit und Dienst, Freiheit und Hingabe schließen sich nicht aus. "Dabei gab der Theologe zu bedenken, dass der Zugwinn an Freiheit durch Wissenschaft und Individualisierung auch belasten könne. Als Beispiele nannte er die von der Medizin eröffneten Chancen am Lebensanfang und -ende sowie die abnehmende Fähigkeit zu gemeinwohlverträglichem Handeln.
Synoden tagen seit 2005 verzahnt
An diesem Freitag werden Generalsekretär Martin Junge vom Lutherischen Weltbund, Kurienkardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, sowie der Theologieprofessor Bernd Oberdorfer zu dem Schwerpunktthema sprechen. In der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands sind sieben lutherische Landeskirchen mit fast zehn Millionen Gemeindemitgliedern zusammengeschlossen.
In seinem Bericht ging Bischof Ulrich auf das sogenannte Verbindungsmodell im deutschen Protestantismus ein. Dieses hatten die konfessionellen Zusammenschlüsse und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) 2005 vertraglich vereinbart. Eine Folge ist, dass die evangelischen Kirchenparlamente seit 2009 zeitlich und örtlich verbunden, sowie personell verzahnt tagen. Dieses Modell sei anspruchsvoll, denn es unterscheide sich von vollständiger Fusion und dem früheren Nebeneinander, gab Ulrich zu bedenken.
Einheit der Kirche durch "wechselseitige Anerkennung"
Als positive Effekte des Verbindungsmodells nannte der Bischof gemeinsame Kirchengesetze, etwa für Kirchenbeamte und den Pfarrdienst, die Integration der Kirchenämter und Annäherungen bei Gottesdienst und Liturgie. Es stelle sich jedoch weiter die Frage, ob und wie die Zusammenarbeit intensiviert werden sollte. Für eine grundlegende Bewertung dieser Strukturveränderungen, die Zeit brauchten, sei es noch zu früh, sagte der lutherische Theologe.
Die Einheit der Kirche werde vor allem "durch wechselseitige Anerkennung" gefördert. Ulrich lobte in diesem Zusammenhang die Leuenberger Kirchengemeinschaft als Modell innerprotestantischer Ökumene, die durch wechselseitige Anerkennung alte trennende Grenzen überwinde. Dies könne auch Modell im gesellschaftlichen Bereich sein. "In dem Geflecht von Kirchengemeinden, Kirchenkreisen, Landeskirchen, konfessionellen Zusammenschlüsse, EKD und Weltbünden darf nicht Konkurrenz und Eifersucht herrschen, sondern jedes Glied am Leibe hat seine Funktion zum Nutzen des Ganzen auszuüben", empfahl der Bischof der Nordkirche.