"Der Geist kann alles", ist Julian überzeugt. Mit seinem entrückten Blick wirkt der junge Mann, als sei er ein bisschen neben der Spur. Aber das ist bloß eine Frage der Perspektive. Kennt man seine Vorgeschichte nicht, könnte man ihn auch für erleuchtet halten. Kein Wunder, dass ihm alsbald einige Jünger folgen. Ihm selbst ist das eher unangenehm. Er hat nie behauptet, er könne übers Wasser laufen; allenfalls über glühende Kohlen.
Heilkraft des Gehens
"Der Mann, der über Autos sprang" ist der erste Langfilm des Berliners Nick Baker-Monteys, der bislang vor allem Drehbücher für TV-Produktionen geschrieben hat ("Plötzlich Papa"). Die Geschichte ist keineswegs esoterisch, auch wenn der Kern der Handlung das nahe legt: Julian (Robert Stadlober) flieht aus einem psychiatrischen Krankenhaus in Berlin, weil der Vater seines verstorbenen besten Freundes im fernen Tuttlingen einen Herzanfall hatte. Julian will nun zu Fuß Richtung Südwesten pilgern. Die auf diese Weise erzeugte Energie soll dem kranken Mann helfen.
Man mag das für überspannt halten, aber immerhin hat Julian prominente Vorbilder, die ebenfalls an die Heilkraft des Gehens glauben. Aber das ist gar nicht der entscheidende Punkt. Viel wichtiger für den Film ist Julians Charisma, das drei Menschen (Jessica Schwarz, Anna Schudt, Martin Feifel) dazu bewegt, alles stehen und liegen zu lassen und sich ihm anzuschließen, darunter auch der Polizist Jan, der den Auftrag hat, ihn aufzuspüren und in die Klinik zurückzubringen. Jan kennt als einziger die düstere Vorgeschichte, auf die auch der Titel anspringt: Julians Freund ist gestorben, als Julian den Gesetzen der Schwerkraft trotzen und über das fahrende Auto springen wollte.
Baker-Monteys beweist bei seinem Debüt ein bemerkenswertes Gespür für die richtigen Bilder. Auch wenn das Drehbuch einige mysteriöse Momente enthält, bleibt viel Raum für Interpretationen: Geschickt lässt die Geschichte in der Schwebe, ob Julian über besondere Begabungen verfügt oder bloß ein Spinner ist. Aber wie immer in solchen Filmen ist ohnehin der Weg das Ziel; vor allem für die vier Gefährten, die in erster Linie zu sich selbst finden und auf diese Weise ihr Leben ändern.