"Ich schäme mich, zur Kirche zu gehören, die nicht auf Jesus gehört hat und noch immer nicht auf ihn hört", sagte der ehemalige Leiter des Versöhnungszentrums im englischen Coventry, Paul Oestrreicher, am Freitagabend bei einer Tagung in Bremen. Das Leitbild von Jesus sei Gewaltlosigkeit, die Kirchen hingegen "dienten auch den Nationen und der Macht", kritisierte der 80-Jährige.
Bei der Konferenz unter dem Titel "Den Krieg abschaffen", forderte Oestreicher die Kirchen dazu auf, "Allianzen des Friedens" zu bauen. Sie müssten über nationale, religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg für einen Frieden ohne Militär eintreten. Das könne großen Einfluss haben.
"Militär vernichtet, Polizisten schützen"
Gewalt werde es unter den Menschen immer geben, räumte Oestreicher ein. Um in Fällen wie in Syrien gegen einen drohenden Bürgerkrieg vorgehen zu können, sei aber kein Militär, sondern eine länderübergreifende Polizeimacht nötig. "Armeen werden ausgebildet, um zu vernichten, anständige Polizisten schützen." Auch das Konzept internationaler Friedenskräfte wie das der UN-Blauhelm-Soldaten stecke noch in den Kinderschuhen und könne weiter entwickelt werden, sagte der Pazifist Oestreicher.
Die "Bekehrung der Kirchen" zur Gewaltlosigkeit sieht er als "riesige Aufgabe" an. Zwar habe es etwa mit den Quäkern und den Mennoniten immer einen echten christlichen Pazifismus gegeben, doch der sei oft von der Mehrheit der Christen verachtet worden. Pazifismus sei hart, der Weg dahin schwierig. "Doch von der Bewältigung hängt die Zukunft unserer Kinder ab."
Oestreicher wurde 1931 als Sohn eines zum Christentum konvertierten jüdischen Kinderarztes im südthüringischen Meiningen geboren. Die Familie flüchtete 1939 vor den Nationalsozialisten nach Neuseeland. Von dort gelangte Oestreicher nach England, wo er 1960 als anglikanischer Priester ordiniert wurde. In Coventry leitete er lange das internationale Versöhnungszentrum. Zudem engagierte er sich in der Friedens- und in der Anti-Atomkraft-Bewegung.