"Einige der Berichte über Aserbaidschan, die in den vergangenen Wochen erschienen sind, beruhten auf falschen oder unvollständigen Informationen", erklärte die aserbaidschanische Botschaft am Mittwoch in Berlin. Es seien ausschließlich kritische Stimmen gesammelt und positive Fakten unterschlagen worden. Dies sei "nicht fair".
Der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew habe im Dezember ein Dekret zur Verbesserung der Menschenrechte erlassen, das mehrere Gesetzesreformen vorsehe, hieß es. Die Meinungs- und Informationsfreiheit sei bereits in der aserbaidschanischen Verfassung verankert. Neben zahlreichen TV- und Radiosendern gebe es über 200 Printmedien und über 50 Nachrichtenagenturen. Ein Teil dieser Medien stehe der Opposition nahe und veröffentliche regierungskritische Artikel. Auch die Nutzung des Internets sei unbegrenzt möglich.
Umsiedlung von Bürgern
Wiederholt hätten deutsche Medien berichtet, Menschen würden für den Bau der Crystal Hall zur Austragung des Eurovision Song Contests umgesiedelt. Dies sei "so nicht richtig", erklärte die aserbaidschanische Botschaft. Für den Bau der Halle seien lediglich alte Hafenanlagen und leerstehende Gebäude abgerissen worden. Im Zuge dieser Modernisierung der Hauptstadt Baku müssten zwar "einige Bürger" ihre Wohnungen verlassen. Alle Betroffenen bekämen aber eine Kompensation von 1.500 Euro pro Quadratmeter.
Das Finale des Song Contest findet am Samstag statt. Journalisten und Menschenrechter hatten in den vergangenen Monaten immer wieder die Situation in Aserbaidschan kritisiert. So würden Journalisten und Regierungskritiker häufig aus zweifelhaften Gründen angeklagt. Bei Angriffen gegen unabhängige und oppositionelle Reporter leite die aserbaidschanische Polizei keine angemessenen Ermittlungen ein, hieß es. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter ohne Grenzen" belegt Aserbaidschan von 179 Staaten den 162. Platz.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beklagt unterdessen Einschränkungen bei der Religions- und Gewissensfreiheit in Aserbaidschan. Das Land garantiere in seiner Verfassung zwar Religionsfreiheit, diese werde in der Praxis aber vielfach durch bürokratische Hürden und Willkür eingeschränkt, erklärte die Organisation am Mittwoch in Frankfurt am Main. In diesen Tagen soll mit einem Radiospot auf die Situation aufmerksam gemacht werden.
Rund 96 Prozent Muslime
Ziel der Kontrollen seien gleichermaßen muslimische und christliche Gemeinden, fügte der Menschenrechtsverband hinzu. Besonders stark betroffen seien vor allem kleinere Glaubensgemeinschaften wie Baptisten, Sieben-Tage-Adventisten und Zeugen Jehovas. Nach staatlichen Angaben seien nominell rund 96 Prozent der Bevölkerung Muslime, davon etwa ein Drittel sunnitisch und zwei Drittel schiitisch. Die übrigen Einwohner sind den Angaben zufolge vorwiegend russisch-orthodoxe, armenisch-apostolische Christen oder Atheisten.
Nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans 1991 sei die freie Ausübung von Religion mehrfach durch Gesetze und Verordnungen reglementiert und eingeschränkt worden, hieß es weiter. Allein das Gesetz zur Religionsausübung sei seit der Verabschiedung im Jahr 1992 bisher 14 Mal geändert worden, so die IGFM.
Am gravierendsten sei der Zwang zur staatlichen "Registrierung". 2010 hätten sich alle religiösen Gruppen in Aserbaidschan neu registrieren lassen müssen, "unabhängig von ihrem früheren Status". Ohne diese Zulassung seien jegliche religiöse Aktivitäten verboten und würden mit hohen Geldstrafen geahndet. Während die Neuregistrierung für die großen Glaubensgemeinschaften relativ problemlos erfolge, seien rund 800 Anträge kleinerer Glaubensgemeinschaften nicht entschieden worden. Diese Religionsgruppen würden damit de facto in die Illegalität gedrängt.