Laut einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) arbeiten fast 900.000 Geringverdiener mindestens 50 Wochenstunden. So seien beispielsweise Kraftfahrer, Lagerarbeiter und Beschäftigte im Gastgewerbe oft sehr lange im Einsatz. "So lange Arbeitszeiten wie bei den Niedriglöhnern gibt es ansonsten nur am oberen Ende der Einkommensskala, also bei Gutverdienern in Vollzeit", schreibt Studienautor Karl Brenke.Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach von schlimmsten Auswirkungen des Lohndumpings und forderte die Bundesregierung auf, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen. Deutliche Kritik kam auch von der Opposition.
Die Beschäftigten riskierten gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das Institut verweist auch auf das Arbeitszeitgesetz, nach dem die Wochenarbeitszeit nicht dauerhaft länger als 48 Stunden sein darf. Im Durchschnitt arbeiten Geringverdiener mit Vollzeitjob laut DIW 45 Wochenstunden, und damit zwei Stunden mehr als alle anderen Vollzeitkräfte.
Insgesamt erhielten nach DIW-Angaben im Jahr 2010 rund 22 Prozent aller Arbeitnehmer einen Niedriglohn. Mehr als die Hälfte übte eine Tätigkeit aus, für die eine Lehre oder ein Hochschulabschluss nötig ist. Zu diesen Beschäftigten gehörten etwa Verkäufer, Arzthelfer, Bäcker, Berufe im Gastgewerbe, Friseure und Pflegekräfte. Als Geringverdiener gelten Arbeitnehmer, die weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns erhalten. 2010 lag die Schwelle bei 9,26 Euro brutto.
"Mit Schwarz-Gelb kein Mindestlohn"
Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, sagte in Berlin, Geringverdiener seien doppelt gestraft: "Sie werden mit Hungerlöhnen abgespeist und müssen gleichzeitig schuften bis zum Umfallen." Wer regelmäßig 50 Stunden und mehr arbeiten müsse, gefährde seine Gesundheit. "Es ist besonders perfide, dass ausgerechnet die Geringverdiener ausgequetscht werden wie eine Zitrone."
Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte Löhne, die auch bei normalen Arbeitszeiten zum Leben reichen. Die Bundesregierung schaue tatenlos zu, "wie die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer in Deutschland immer schlechter werden".
Für die Grünen rügte Brigitte Pothmer Union und FDP, die "trotz aller Erfordernisse beim Mindestlohn keinen Schritt nach vorn machen". Das Konzept von CDU/CSU sei allenfalls ein "Mindestlohn light", der zudem auf den Widerstand der FDP stoße. Pothmer zufolge werde es "mit Schwarz-Gelb keinen Mindestlohn geben, der diesen Namen verdient".
"Wir müssen die Ausbeutung in prekären Stressjobs endlich stoppen und den Menschen wieder eine Perspektive für gute Arbeits- und Lebensbedingungen geben", sagte Jutta Krellmann, Sprecherin der Linken-Fraktion für Arbeit und Mitbestimmung. Sie warb für einen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde und forderte zudem eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit.