Bedford-Strohm: Sehe in den USA viel Schockstarre

Bedford-Strohm: Sehe in den USA viel Schockstarre
27.04.2025
epd
epd-Gespräch: Nicole Kiesewetter

Neustrelitz (epd). Nach fast 100 Tagen der zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump beobachtet der Theologe Heinrich Bedford-Strohm eine verheerende Bilanz. „Das Ausmaß an Zerstörung, das diese 100 Tage für die USA selbst, aber auch für alle anderen Teile der Welt angerichtet haben, hat meine Befürchtungen noch übertroffen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Gerade verletzlichen Menschen werde etwa durch die Abwicklung der Entwicklungshilfe USAID momentan die Lebensgrundlage entzogen. „Das stürzt sie ins Elend. Es kostet Menschenleben.“

Die Folgen der „ebenso rücksichtslosen wie konfusen Zollpolitik der US-Regierung“ würden die Menschen gerade als „bitteres Erwachen“ beim Einkaufen erleben. Wer keine Billigware aus Ländern mit niedrigen Löhnen importieren wolle, müsse Preise bezahlen, die auf amerikanischen Löhnen beruhen. „Und diese Preise sind natürlich erheblich höher.“

Zugleich mahnte der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist, „nicht hysterisch zu werden und seine USA-Urlaube abzusagen, weil irgendwann einer von Hunderttausenden von Touristen bei der Passkontrolle Probleme bekommen hat.“ Dies seien Einzelfälle, „die aber medial so durchschlagen, dass sie den Leuten Angst machen“.

Das Schlimme am Umgang der Trump-Administration mit der Flüchtlingsfrage sei nicht der Versuch, bessere Regelungen zur Steuerung der Migrationsbewegungen zu finden, das sei legitim. „Das Schlimme ist der menschenverachtende Ton, der in dieser Debatte in die Gesellschaft eingezogen ist.“ Religion nutze Trump für seine Zwecke, „so unverfroren wie wir das selten zuvor erlebt haben“.

Nach Einschätzung von Bedford-Strohm hielten auch viele seiner Wähler den Präsidenten nicht für einen wirklich religiösen Menschen. „Sie haben ihn trotz seiner Persönlichkeit gewählt, weil sie sich einen Wirtschaftsaufschwung versprochen haben.“ Es sei „traurig, wenn Religionsvertreter sich dafür hergeben, Trumps Verletzung grundlegender Maßstäbe nicht nur kritiklos hinzunehmen, sondern ihn geradezu als Messias zu verklären“.

In den beiden Wochen, die der 65-Jährige seit Trumps Amtsübernahme in den USA bei seiner Familie verbrachte, habe er „viel Schockstarre wahrgenommen“. Zugleich würde sich die Schockstarre allmählich lösen und viele Menschen begännen, vor Ort für die Demokratie einzustehen. „Ich wünsche mir, dass in unseren Medien nicht immer nur die politischen Amokläufe der Trump-Regierung gezeigt werden, sondern viel mehr auch das andere Amerika, das sich nach meiner Prognose als stärker erweisen wird, als wir das gegenwärtig erwarten.“