"Im Herzen war ich schon immer Christ"

Pfarrer Valentin Wendebourg zeigt den vier Taufanwärtern die Fürstenfeldbrucker Erlöserkirche, wo sie in der Osternacht getauft werden.
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Pfarrer Valentin Wendebourg zeigt den vier Taufanwärtern Amin Niyazi, René Grüner, Francis Grüner, Lucky Ammachi Jilg die Fürstenfeldbrucker Erlöserkirche, wo sie in der Osternacht getauft werden.
Taufe im Erwachsenenalter
"Im Herzen war ich schon immer Christ"
Sie schwimmen gegen den Trend der Kirchenaustritte - und lassen sich taufen. Was bewegt einen Fußballer, einen Bundeswehr-Soldaten, einen Gymnasiasten und einen Iraner dazu, evangelisch zu werden? Einblick in einen Taufkurs in Fürstenfeldbruck.

Noch ein bisschen unschlüssig mustern die vier jungen Männer die weißen Kerzen. Vor ihnen liegen Wachsplatten, Stifte, Scheren und Vorlagen von Kreuzen und Friedenstauben. Ihr Ziel: an diesem Freitagnachmittag im Gemeindehaus der evangelischen Erlöserkirche in Fürstenfeldbruck zu basteln - und zwar ihre eigenen Taufkerzen. "Ich habe noch keine Ahnung", sagt Lucky Ammachi Jilg. Der 17-Jährige ist angehender Fußball-Profi. Zusammen mit seinem Kumpel René Grüner, dessen Bruder Francis, der Bundeswehr-Soldat ist, und dem Iraner Amin Niyazi besucht er den Taufkurs. Völlig unterschiedliche Lebensgeschichten - und doch eint die vier der Wunsch, evangelische Christen zu werden.

Pfarrer Valentin Wendebourg zeigt den jungen Männern zur Einstimmung erstmal die frisch sanierte Erlöserkirche, wo sie in der Osternacht getauft werden sollen. "Das ist immer eine tolle Stimmung, die Kirche ist voll, und draußen brennt das Osterfeuer", erzählt Wendebourg. Die vier betrachten ehrfürchtig den Kirchenraum und das nagelneue Taufbecken. Auf die Frage, ob sie sich auf ihre Taufe freuen, ist plötzlich keine Unsicherheit mehr zu spüren: "Ja, total", sagen sie fast im Chor. Dann geht es weiter mit den Taufkerzen. Amin Niyazi hat inzwischen eine genaue Vorstellung davon, wie sie aussehen soll: mit einem Kreuz und dem Schriftzug "Gott ist Liebe", erzählt er.

Amin ist 2009 aus dem Iran geflohen. Mit dem Islam hatte der 32-Jährige nie etwas am Hut. Als er zum ersten Mal den Koran gelesen hat, habe er beschlossen: "Ich werde kein Muslim." Für ihn ist der Islam eine Religion, die Gewalt im Namen Gottes gutheißt. Als am 7. Oktober 2023 dann die islamistische Terrororganisation Hamas Israel angreift, mehr als 1.200 Menschen tötet und rund 250 als Geiseln verschleppt, schämt er sich für seine muslimische Herkunft. Für ihn ist klar: "Mit Menschen, die im Namen ihres Glaubens den Tod von Juden feiern, wollte ich nichts mehr zu tun haben." Er entscheidet sich, nun auch offiziell Christ zu werden. "Im Herzen war ich es schon immer." Auch einen christlichen Namen möchte er annehmen und künftig Noah heißen.

Taufkurs neben Sport und Fachabitur

Neben ihm beugen sich Lucky und René über ihre Handys, studieren Vorlagen und denken über ihr Kerzen-Design nach. Ein Kreuz und ein Adler wären cool, sagt Lucky, der in der Landesliga Fußball spielt, täglich mehrmals trainiert und auf eine Profi-Karriere zusteuert. Der Adler ist Staatssymbol von Deutschland und Nationaltier von Nigeria, wo sein Vater geboren wurde. Das wäre ein schönes Symbol für seine Taufe, findet Lucky, der neben Sport und Taufkurs gerade auch noch sein Fachabitur macht.

Die Taufe sei ihm wichtig, erzählt er. Der Glaube habe ihm Kraft gegeben, zum Beispiel als er einmal monatelang verletzt war und nicht wusste, ob das noch was wird mit dem Profi-Fußball. Er habe ihm auch geholfen, gelassener zu werden, Rückschläge und Fehler zu akzeptieren. "Das Leben verläuft nicht immer nur geradeaus", sagt Lucky. Er versuche, alles anzunehmen, was im Leben auf ihn zukommt. René neben ihm nickt. Der christliche Glaube vermittle ihm wichtige Werte, sagt er. Nächstenliebe, Bodenständigkeit, Freiheit, Frieden, zählt der 18-jährige Gymnasiast auf. Zur Taufe gekommen sei er vor allem über seinen älteren Bruder Francis, der mit ihm den Kurs besucht.

Zahl erwachsener Anwärter überschaubar

Der 19-jährige Francis ist bereits total in seine Arbeit an der Taufkerze vertieft: Ein Kreuz soll drauf, an dem ein Schal hängt mit den Symbolen für Alpha und Omega, erzählt der Bundeswehr-Soldat. Auch seinen Taufspruch hat Francis ganz bewusst ausgewählt, es ist eine Stelle aus dem Brief des Apostels Paulus an die Epheser: "Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes." Für ihn als Soldaten sei das total passend, findet er.

Pfarrer Wendebourg freut sich sichtlich über seine Taufgruppe. Es komme nicht oft vor, dass sich so viele erwachsene Taufanwärter gleichzeitig finden, erzählt er. Die landeskirchliche Statistik gibt ihm recht: In den vergangenen Jahren haben sich jeweils mehr als 550 Erwachsene in Bayern evangelisch taufen lassen, im vergangenen Jahr waren es 589. Die Zahl ist überschaubar im Vergleich zu den Zehntausenden Menschen, die jedes Jahr in Bayern aus den Kirchen austreten: Knapp 40.000 waren es im vergangenen Jahr bei den Evangelischen, die katholischen Bistümer zählten rund 87.000 Austritte.

Wer sich als Erwachsener taufen lässt, tut dies also ganz bewusst: Entweder habe die Person eine Zuwendung zum christlichen Glauben erlebt oder wolle Teil der Kirche sein, weil sie glaube, dass hier sinnvolle Dinge für die Gesellschaft getan würden, sagt die Sprecherin der bayerischen evangelischen Landeskirche, Christine Büttner. Oft seien das auch Menschen, die über ihre Kinder in evangelischen Kitas oder Familiengottesdiensten Kontakt zum christlichen Glauben gefunden hätten.

Für die vier Taufanwärter spielt die Statistik an diesem Freitagnachmittag keine große Rolle. Sie basteln weiter an ihren Taufkerzen - und grübeln dabei kurz auch über ihr Tauf-Outfit. Pfarrer Wendebourg beruhigt sie. "Nicht übertreiben. Ein bisschen schick, ein bisschen festlich. Das reicht völlig."