Verband Housing First fordert Kehrtwende in der Wohnungspolitik

Verband Housing First fordert Kehrtwende in der Wohnungspolitik
16.04.2025
epd
epd-Gespräch: Jutta Olschewski

Würzburg (epd). Der Vorsitzende des Bundesverbands Housing First, Kai Hauprich, hat kritisiert, dass Wohnungs- und Obdachlosigkeit im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung in nur einem einzigen Absatz vorkommen. „Das ist gemessen an der gesellschaftlichen Tragweite des Themas deutlich zu wenig“, sagte Hauprich in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es brauche eine klare Kehrtwende in der Wohnungs- und Sozialpolitik.

„Kürzungen im sozialen Bereich haben ein enormes Spaltungspotenzial - sie treffen die Schwächsten und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte der Experte. Er erwarte, dass die Politik auch das Konzept Housing First, bei dem die Vermittlung von Wohnraum an Wohnungslose Vorrang hat, flächendeckend als Leitprinzip etabliere. Mit dessen Hilfe würden ehemals obdachlose Menschen die Selbstbestimmung über ihr Leben zurückbekommen. „Solange Menschen obdachlos sind, suchen sie nach einem Schlafplatz, müssen sich um ihr Überleben kümmern und haben nicht die Ruhe, darüber nachzudenken, was mit ihrem Leben passiert.“ Die 40 bis 50 Housing-First-Projekte, die es mittlerweile in Deutschland gebe, hätten in den vergangenen Jahren rund 500 Menschen zu einem neuen Anfang verholfen.

Das Konzept, Menschen zunächst eine Wohnung zu geben, damit sie in Ruhe ihr Leben sortieren und eine Arbeit suchen können, sei „klug, menschenfreundlich und kosteneffizient“, sagte Hauprich, „aber es macht nicht reich, gesund und glücklich“. Das eigentliche Problem der wirtschaftlichen Armut löse es nicht.

Die großen Fehler im Hinblick auf Wohnen sind nach Hauprichs Auffassung in den 1990er Jahren gemacht worden, als man begonnen habe, den sozialen Wohnungsbau sukzessiv auslaufen zu lassen und die Wohnung nicht mehr als Daseinsvorsorge betrachtet habe. Die Politik habe so zugelassen, dass Wohnen zum Spekulationsobjekt geworden sei. „Ein Grundbedürfnis des Lebens darf man nicht dem Markt überlassen.“

550.000 Menschen waren in Deutschland im Jahr 2024 von Wohnungslosigkeit betroffen, so der Wohnungslosenbericht des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.