Santiago, Quito (epd). Überschattet von ausufernder Bandenkriminalität findet am Sonntag in Ecuador die Stichwahl für das Amt des Staatsoberhauptes statt. Knapp 14 Millionen Stimmberechtigte sind dazu aufgerufen, sich zwischen dem aktuellen Staatschef und Unternehmersohn Daniel Noboa sowie der Mitte-Links-Kandidatin Luisa González zu entscheiden. Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im Februar erreichten beide etwa 44 Prozent der Stimmen. Auch für die zweite Runde sagen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus.
González wäre die erste Präsidentin des Landes. Mit einem vorläufigen Ergebnis wird in der Nacht von Sonntag auf Montag (Ortszeit) gerechnet.
Hauptthema der Wahlen ist die ausufernde Kriminalität von Drogenbanden im Land. Während Amtsinhaber Noboa mit einer Politik der harten Hand versucht, die Kontrolle über die Sicherheit zurückzugewinnen, wirft ihm seine Kontrahentin Unfähigkeit vor, da er trotz Ausnahmezustand und Einsatz des Militärs die Sicherheitslage des Landes nicht ausreichend verbessert habe. Noboa hingegen macht González-Unterstützer und Ex-Präsident Rafael Correa (2007-2017) für die Situation verantwortlich. Mit González werde die Korruption zurückkehren, die das Land erst in die missliche Lage gebracht habe, behauptet er.
Im vergangenen Jahrzehnt hat sich das kleine südamerikanische Land zu einem der wichtigsten Exporthäfen für Kokain nach Europa und in die USA entwickelt. Im Zuge dessen ist die Mordrate zur höchsten in ganz Lateinamerika angestiegen. 2024 wurde im Durchschnitt alle 15 Minuten eine Person ermordet. Aufgrund der Gewalt herrschten im Wahlkampf extreme Sicherheitsvorkehrungen. Veranstaltungen mit Noboa und González fanden unter dem Schutz hochgerüsteten Militärs statt.
Der 37-jährige Noboa wurde 2023 überraschend zum Präsidenten gewählt, nachdem sein Vorgänger, der Konservative Guillermo Lasso, einem Abwahlverfahren zuvorgekommen war und das Parlament auflösen ließ. Noboas Wahl war nur für anderthalb Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode. Sein Vater, Bananenmagnat Álvaro Noboa, ist einer der reichsten Männer des Landes. Die Wahl 2023 war vom Mord an Präsidentschaftsbewerber Fernando Villavicencio vom Mitte-Links-Bündnis Construye überschattet.
Die Mitte-Links-Kandidatin González verspricht eine Reform des als korrupt geltenden Justizsystems, einen Ausbau des Sozialstaats und eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Stabilität der Amtszeit von Ex-Präsident Correa. Correa selbst wohnt in Belgien, da er in Ecuador aufgrund von Korruption verurteilt wurde.