Berlin (epd). Der Bundesverband Trans sieht die Belange queerer Menschen im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD nicht ausreichend berücksichtigt. Das Papier sei „eine Enttäuschung“, erklärte Vorständin Nora Eckert am Donnerstag in Berlin. Die Verhandlungsteams hätten sich „in keinem Punkt klar verpflichtet, die rechtliche Situation von queeren Personen zu verbessern“. In Zeiten einer wachsenden Feindlichkeit gegenüber Mitgliedern dieser Gruppe „ist das ein falsches Signal“.
Konkret kritisierte Eckert unter anderem das Fehlen einer Reform des Abstammungsrechts und einer Erweiterung des Artikels 3 im Grundgesetz um ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Für queere Geflüchtete seien sogar Verschlechterungen vorgesehen, kritisierte Eckert. Union und SPD wollten es erschweren, in Deutschland Asyl zu beantragen - damit würden Menschen, „die vor Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder körperlichen Geschlechtsmerkmale fliehen, extrem gefährdet“.
Als positiv bewertete Eckert, dass beim Selbstbestimmungsgesetz ein Kompromiss gefunden worden sei. Während der Koalitionsverhandlungen hatte sich die Union für eine Abschaffung ausgesprochen. Im Koalitionsvertrag heißt es nun: „Wir werden das Gesetz über die Selbstbestimmung im Bezug auf den Geschlechtseintrag bis spätestens 31. Juli 2026 evaluieren.“
Weiter heißt es: „Bei der Evaluation legen wir einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen.“ Diese Schwerpunktsetzung erinnere „an die polarisierte gesellschaftliche Debatte, in der das Selbstbestimmungsgesetz beispielsweise als Gefahr für Frauen oder Kinder dargestellt wurde“, kritisierte Eckert.
Am Mittwochabend hatte sich bereits der „LSVD+ - Verband für Queere Vielfalt“ kritisch geäußert. Bundesvorstandsmitglied Erik Jödicke warnte davor, „das Selbstbestimmungsgesetz jetzt ohne Not anzufassen und Verschlechterungen zu riskieren“. Auch Jödicke mahnte eine rasche Reform des Abstammungsrechts an und beklagte, dass der Koalitionsvertrag „queere Geflüchtete in Lebensgefahr“ bringe.