Wissenschaftler und Organisationen kritisieren Anfrage der Union

Wissenschaftler und Organisationen kritisieren Anfrage der Union
Die Kritik an der Parlamentsanfrage von CDU und CSU zur Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen ebbt nicht ab. Zwei offene Briefe protestieren gegen die Anfrage, die sie als Versuch sehen, kritisches Engagement zu delegitimieren.

Berlin (epd). Die umstrittene Parlamentsanfrage der Union zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements hat eine Protestwelle ausgelöst. Gleich zwei offene Briefe an Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wandten sich am Dienstag gegen die Anfrage. In dem einen werfen Nichtregierungsorganisationen der Union vor, ihr Engagement unter Generalverdacht zu stellen. Eine kritische Bürgerschaft sei „kein Störfaktor“, sondern wesentlicher Bestandteil der Demokratie, heißt es darin. „Mit besorgten Grüßen“ wandten sich zudem 1.767 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an CDU und CSU. Den „konfrontativen Unterton in der Kleinen Anfrage“ deute man als „alarmierendes Signal“, heißt es darin.

Die Unionsfraktion hatte einen Tag nach der Bundestagswahl eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, in der sie sich in insgesamt 551 Fragen nach der Förderung gemeinnütziger Organisationen erkundigt, darunter Medienorganisationen wie Correctiv und das Netzwerk Recherche, Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wie die „Omas gegen Rechts“ sowie Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace oder der BUND.

Die Fraktion stellt die Gemeinnützigkeit der Organisationen infrage und begründet dies mit den Protesten gegen die CDU, die Ende Januar eine Abstimmung über eine Verschärfung der Asylpolitik gemeinsam mit den Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD ausgelöst hatte. Die Proteste seien teils von gemeinnützigen Vereinen oder staatlich finanzierten Organisationen organisiert oder unterstützt worden, heißt es in der Anfrage. Dies werfe die Frage auf, „inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden“.

Die Organisationen weisen den Vorwurf in ihrem offenen Brief zurück. „Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Spannungen sollten demokratische Parteien sich nicht an Versuchen beteiligen, zivilgesellschaftliches Engagement durch öffentliche Zweifel und potenzielle rechtliche Konsequenzen zu delegitimieren“, heißt es in der Erklärung, die Organisationen wie Amnesty International, „Gesicht zeigen!“ sowie Gewerkschaften, Sozialverbände, kirchliche Organisationen und Beratungsstellen unterzeichnet haben.

Auch im auf der Internetseite „Verfassungsblog“ veröffentlichten Brief der Wissenschaftler wird beklagt, dass „ein negatives Licht auf zivilgesellschaftliches politisches Engagement und die gesamte nicht-staatliche Akteurslandschaft im Allgemeinen“ geworfen werde. Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen diene dem demokratischen Gemeinwohl „und ist gerade in Zeiten erstarkender autoritärer Strömungen von zentraler Bedeutung“, heißt es darin.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler widersprechen zudem der Forderung nach politischer Neutralität der Organisationen: „Die Neutralitätspflicht des Staates bezieht sich auf das Handeln der Exekutive, nicht aber auf die Meinungsäußerungen und die politische Arbeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Akteure“. Die Vorstellung, dass eine Organisation durch öffentliche Förderung zu einem „verlängerten Arm des Staates“ werde und sich deshalb jeglicher politischer Äußerung enthalten müsse, widerspreche dem Verfassungsprinzip der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft.