Kürzlich hat die ARD "Billy Kuckuck" in "Eine mit Herz" umbenannt. Dass der Titel nicht als Marke für alle Freitagsreihen im "Ersten" passt, liegt an Werner Träsch: Nach dem Ende von "Toni, männlich, Hebamme" ist der von Uwe Ochsenknecht ungemein sympathisch verkörperte Müllmann die letzte Hauptfigur, die keine Frau ist. Einer mit Herz ist er auf jeden Fall, aber zumindest anfangs hatte Werner auch Ecken und Kanten.
Dass sie etwas abgeschliffen wurden, lag vor allem an Freundin Gabi (Adelheid Kleineidam), die er demnächst heiraten wird. Zuvor möchte er jedoch einen Tanzkurs besuchen, damit er ihr beim Hochzeitswalzer nicht auf die Füße tritt. Das ist der heitere Teil dieses Films mit dem schlichten Titel "Der Neue"; der Rest ist Drama. Die Geschichte beginnt mit einem Abschied: Ralle (Jörn Hentschel), der Intellektuelle an Bord, verlässt Werners Müllwagen und zieht sich als frischgebackener Vater und Hausmann ins Privatleben zurück.
Sein Nachfolger heißt Matthias (Marc Oliver Schulze), bekommt nach einem Vorfall mit einem Insektenschwarm den Spitznamen "Motte" und ist ein ehemaliger protestantischer Pastor. Das allein verspricht schon mal interessante Gespräche, aber der neue Kollege hat ein erhebliches Problem: Ex-Freundin Anna (Laia Alvarez) sabotiert jeden Kontakt zur gemeinsamen fünfjährigen Tochter. Und nicht nur das: Sie streut sogar bösartige Gerüchte und schickt Mottes Chef (Rainer Strecker) eine anonyme Mail, in der sie davor warnt, den Mann unbeaufsichtigt in die Nähe von Kindern zu lassen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Mit dieser Gegenspielerin geht Autor Gernot Gricksch, der seit dem fünften Film fast alle Drehbücher für "Die Drei von der Müllabfuhr" geschrieben hat, hart an die Grenze. Zwar wird zwischenzeitlich deutlich, warum sich die Frau so verhält, aber eine derart durch und durch negative weibliche Figur ist gerade in den Freitagsfilmen im "Ersten" äußerst selten, zumal Anna auch noch reichlich durchtrieben ist: Gegenüber der Sachbearbeiterin (Nadine Wrietz) vom Jugendamt zeigt sie sich von ihrer besten Seite und spielt die Mutter, die selbstverständlich möchte, dass die kleine Lotte auch ihren Vater regelmäßig sieht. In Wirklichkeit hat sie sogar einen Nachbarn gegen ihn aufgehetzt.
Die Maske lässt sie erst fallen, wenn sie mit ihrem Ex-Freund alleine ist, dann macht sie ihm klar, dass er mit der Trennung von ihr auch jedes Recht auf seine Tochter verwirkt hat. Das Problem ist kaum zu lösen, zumal Mottes emotionale Auftritte beim Jugendamt nicht gerade zur Beruhigung des Sachverhalts beitragen. Die zweite dramatische Ebene betrifft einen ehemaligen Häftling: Danny war wegen eines bewaffneten Raubüberfalls zwölf Jahre im Gefängnis und ist im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms vorzeitig entlassen worden.
David Bredin, einer jener Schauspieler, die auch dann interessant sind, wenn sie bloß gucken, verkörpert den Ex-Knacki als Kollegen, für den Bezeichnung "wortkarg" erfunden worden ist, aber seine Arbeit erledigt er tadellos. Doch dann drohen Probezeit und Bewährung zu scheitern: Gabi hat sich von einem Boten überreden lassen, Pakete für die Nachbarschaft anzunehmen. Weil die Müllmänner regelmäßig Station in ihrem "Späti" machen, gerät Danny prompt in Verdacht, als ein Päckchen mit einem teuren Smartphone verschwindet. Ausgerechnet Gabi, die Werner beigebracht hat, seine Vorurteile zu hinterfragen, ist überzeugt, dass Danny das Päckchen geklaut hat.
Die Themen der beiden zentralen Handlungsstränge sind viel zu ernst, um ihnen witzige Momente abzugewinnen. Für Auflockerung sorgen allein die Tanzkursbesuche: Weil er sich bei der Online-Buchung "vertippt" hat, sind Werner und Gabi nicht bei "40 plus" gelandet, sondern tummeln sich nun zwischen lauter Teenagern, was spätestens beim Partnertausch für allerlei Heiterkeit sorgt. Eine freche junge Tanzpartnerin entpuppt sich allerdings als Hilfe für Mottes Notlage: Kira (Clara Vogt) sammelt Geräusche und sorgt mit ihrer technischen Ausstattung dafür, dass sich der Film vorübergehend zum Krimi wandelt; manchmal braucht’s neben Herz und Verstand auch eine List.
Richtig spannend wird’s zum Finale, als es zu einer beeindruckenden Solidaritätsaktion kommt und die Müllabfuhr nach Schichtschluss noch mal ausrückt, um dem Kollegen zu seinem Recht zu verhelfen. Natürlich klärt sich auch das Missverständnis mit dem verschwundenen Smartphone, und so ist auch die elfte Episode (Regie: Christiane Balthasar) der Reihe wieder ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie sich relevante Geschichten fesselnd und unterhaltsam erzählen lassen.