Pfarrerin sorgt sich um Rechte für Queere und Frauen

Die evangelische Pfarrerin Claudia Baumann ist Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Baden.
Epd-Bild/ekiba/Claudia Baumann
Die evangelische Pfarrerin Claudia Baumann ist Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche in Baden.
Zur Gender-Debatte
Pfarrerin sorgt sich um Rechte für Queere und Frauen
Besorgt blickt die evangelische Pfarrerin Claudia Baumann auf aktuelle Debatten, die die Rechte für Frauen und queere Menschen infrage stellen. Christinnen und Christen müssten sich äußern, wenn Menschen abgewertet, ausgeschlossen oder mit Gewalt bedroht würden, sagt die landeskirchliche Beauftragte für Gleichstellung und Diversity der Evangelischen Landeskirche in Baden im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Bibel sei ein Zeugnis dafür, wie vielfältig Gott menschliches Leben geschaffen habe.

epd: Wie bewerten Sie die aktuelle Debatte um Genderthemen in Gesellschaft und Politik?

Baumann: Ich sehe mit Sorge darauf, dass "Genderthemen" sehr bewusst eingesetzt werden, um Ängste zu schüren, Bedrohungsszenarien zu entwickeln und damit die Spaltung unserer Gesellschaft voranzutreiben. Rechte, die in mühsamen Kämpfen für Frauen und queere Menschen errungen wurden, werden wieder infrage gestellt, berechtigte Anliegen werden abgewertet und lächerlich gemacht und das transnational und politisch gut vernetzt.

Wie können Christen dazu Stellung beziehen?

Baumann: Zuallererst dadurch, dass wir darauf verweisen, dass es nicht um "Themen" geht, sondern um Menschen und damit um uns alle. Darum, dass wir alle einander achten, respektieren, hören und versuchen, zu verstehen. Als Kirche und Christ* innen müssen wir handeln, wenn Menschen Rechte wieder abgesprochen, sie abgewertet, ausgeschlossen oder mit Gewalt bedroht werden.

Wo die Ausgrenzung von Menschen zudem biblisch begründet wird, haben wir im Namen der Bibel Stellung zu beziehen. Ich bin dankbar für alle Gemeinden, die Orte anbieten, um Menschen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen und für alle kirchliche Veranstaltungen, die notwendige Informationen und Hintergründe zu aufgeladenen Debatten bereitstellen.

Die Landeskirche hat im letzten Jahr ein Diskriminierungsverbot verabschiedet. Was ist sonst noch zu tun?

Baumann: Es war ein wichtiges Zeichen, dass unsere Landessynode dieses explizite Diskriminierungsverbot einstimmig in die Grundordnung aufgenommen hat. Denn leider können Menschen auch im kirchlichen Raum manchmal persönlich oder strukturell Diskriminierung aufgrund unterschiedlicher Vielfaltsmerkmale erfahren.

Nur durch gegenseitiges Sensibilisieren, Aufeinander-Hören, durch das Abbauen von Ängsten und Vorurteilen kommen wir zu einer Kultur und Haltung, in der wir uns alle wirklich gesehen und willkommen fühlen. Ich bin froh, dass aktuell so viele Kirchengemeinden und Mitarbeitende dafür sorgen, dass diese Haltung sichtbar wird.

 

Gelegentlich wird die Bibel herangezogen, um "Genderthemen" zu diskreditieren. Was entgegnen Sie?

Baumann: Hinter den sogenannten "Genderthemen" stehen zutiefst existenzielle Fragen von Menschen nach Gerechtigkeit, Freiheit, nach einem Leben in Würde und Frieden, also nach zentralen Botschaften der Bibel. Das biblische Zeugnis ist voller Geschichten von Menschen, die durch Gottes Handeln Gerechtigkeit erfahren und sich für ein gerechtes Handeln von Politik und Gesellschaft einsetzen. Die Bibel ist ein kostbares Zeugnis dafür, wie vielfältig Gott menschliches Leben geschaffen hat und wie vielfältig die Wege sind, die Gott mit uns Menschen geht.

Welche Herausforderungen sehen Sie angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Stimmung für Ihre Arbeit?

Baumann: Frauen in öffentlichen Leitungsämtern sind zunehmend mehr Hetze ausgesetzt, Sexismus nimmt auf allen Ebenen zu, Gleichstellungspolitik wird gezielt bekämpft. Gemeinsam sollten wir sehr wachsam dafür sein, wer, wann und vor allem wozu die Frage nach Frauenrechten oder die Rechte queerer Menschen für seine Zwecke instrumentalisiert, gerade auch im Namen der Bibel. Dass der Staat die im Grundgesetz eingetragene Gleichstellung aller Geschlechter auch tatsächlich durchsetzt, dafür sollten wir im Interesse eines demokratischen Staates alle Sorge tragen.