Die Trauerarbeit werde erschwert, wenn begangene Fehler "nicht angemessen anerkannt" würden, sagt die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Beate Hofmann, am Sonntag bei einem Gedenkgottesdienst für die Opfer in der Hanauer Marienkirche: "Es macht das gemeinsame Trauern und Erinnern mühsam, wenn nicht die Betroffenen, sondern ganz unterschiedliche politische Interessen in den Vordergrund rücken."
In ihrer Predigt rief Hofmann dazu auf, dennoch am Gedanken der Versöhnung festzuhalten und sich gegen die Spaltung der Gesellschaft zu stemmen: "Gegen alle, die behaupten, gegen Gewalt hilft nur noch mehr Gewalt, sagen wir: Aussöhnung ist möglich." Die Menschen dürften nicht die Hoffnung verlieren, dass die Welt sich zum Guten verändern könne - auch, wenn der Hass auf alle, die anders sind, zunehmend "die politischen Bühnen dieser Welt" beherrsche.
Die Bischöfin verwies dabei auf den Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump, dem sie vorwarf, er wolle "viele der Errungenschaften im Kampf für Gerechtigkeit und Frieden rückgängig machen". Dies werde ihm aber nicht dauerhaft gelingen: "Die Träume von einer gerechten, friedlichen und nachhaltigen Welt sind nicht aus der Welt zu schaffen."
Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet und sechs weitere teils schwer verletzt. Anschließend tötete er seine Mutter und sich selbst. Der Hessische Landtag setzte 2021 einen Untersuchungsausschuss ein, um Versäumnisse von Polizei und Behörden aufzuklären. Dabei ging es unter anderem um die Waffenbesitzkarte des Täters, den nur teilweise erreichbaren Polizeinotruf und den vermutlich verschlossenen Notausgang an einem der Tatorte.
Im Abschlussbericht hieß es, die Sicherheitsbehörden hätten die Gefahr nicht frühzeitig erkennen und die Tat nicht verhindern können.
Rund um den fünften Jahrestag des Verbrechens sind zahlreiche Gedenkveranstaltungen geplant. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will am Mittwoch in die Stadt kommen und bei einer Gedenkfeier im Kongresszentrum Hanau die Hauptrede halten.