"Junge Menschen wollen Antworten"

Portait der Vorsitztenden des Deutschen Bundesjugendrings Daniela Broda.
DBJR
Vorsitztende des Deutschen Bundesjugendrings Daniela Broda
Unpolitische Generation?
"Junge Menschen wollen Antworten"
Bei der Bundestagswahl stellen die jungen Bürger:innen rein demographisch eine Minderheit dar. Wieso ihre Themen dennoch wichtig sind und von der Politik aufgenommen werden sollten, darüber spricht Daniela Broda, Vorstandsmitglied des Deutschen Bundesjugendrings.

evangelisch.de: Die Bundestagswahl steht unmittelbar bevor. Was ist wichtig für Junge Menschen? Was sind die Sorgen? Bedürfnisse? Teilen Sie Ihre Einblicke mit uns!

Daniela Broda: Junge Menschen sind nicht im Blick, dass zeigen uns die vielen aktuellen politischen Debatten. Die junge Generation musste in den vergangenen Jahren durch die Corona-Pandemie viel zurücksteckten. Dazu kommen Sorgen und Ängste der jungen Generation, die durch viele politische Krisen ausgelöst werden, die sich überlagen. Auch die Sorge um unsere Demokratie und unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt spielen eine große Rolle. Rechtsextreme und rechtspopulistische Einstellungen sind tief in der Gesellschaft verankert. Dazu kommen Themen wie: bezahlbarer Wohnraum, soziale Ungleichheit und die vielen Herausforderungen im Bildungssystem. Auch Ängste durch Klimawandel und durch Krieg spielen eine Rolle. Dies alles wirkt sich auf den Alltag von jungen Menschen aus. Sie machen dabei die Erfahrung, das sie nicht mitbestimmen können, denn es fehlen strukturelle Beteiligungsmöglichkeiten. All das belegen zahlreiche Jugendstudien - somit haben wir kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem, wenn wir auf die Bedürfnisse von jungen Menschen schauen.  

Hat diese Generation keine Lobby?

Broda: Die Gruppe hat eine Lobby! Jugendverbände und Jugendringe sind legitimierte Interessensvertretungen von und für jungen Menschen. Junge Menschen engagieren sich dort, tragen ihre Themen hinein und diskutieren sie. Jugendverbände und Jugendringe tragen als Stimme für und von jungen Menschen diese Positionierungen an die Politik heran und treten für diese Interessen ein. Wir streiten für eine wirksame Kinder- und Jugendpolitik: Ob bei mentaler Gesundheit und die Frage nach mehr Präventionsmöglichkeiten für junge Menschen oder die Auseinandersetzung zu einer generationengerechten Finanzpolitik mit Abschaffung der Schuldenbremse. 

Wie spiegelt sich das in den Wahlprogrammen der Parteien wider?

Die jüngste Wählergruppe der 18- bis 20-Jährigen umfasst 2,4 Prozent für die Bundestagswahl 2025 - also eine Minderheit. Ihr Einfluss auf das Wahlergebnis ist minimal. Dies zeigt sich auch in den Wahlprogrammen der Parteien. Dort kann man sehen, dass jungen Menschen keine Angebote gemacht werden. Auch deshalb setzen wir uns für die Absenkung des Wahlalters ein -  bei der Europawahl haben junge Menschen unter 18 die Erfahrung gemacht, wählen zu dürfen. Bei der Bundestagswahl dürfen sie es nicht.

Eine weitere große Herausforderung ist: Politik will im Heute eine Wirksamkeit erzielen und reagiert demzufolge auf tagespolitische Themen. Aber wenn wir auf die Lebenswelt und die Themen der jungen Generation schauen, benötigen wir Lösungen und Investitionen in die Zukunft, denn die Herausforderungen gehen über eine Wahlperiode hinaus. Wir brauchen eine andere Form von Politikgestaltung. Die Themen sind vielfältiger und komplexer und erfordern ein politisches Handeln über eine Legislaturperiode hinaus. 

Das klingt ziemlich ernüchternd. Welche Rolle spielt denn die Bundestagswahl für junge Menschen?

Broda: Junge Menschen machen die Erfahrung, dass viel über sie, aber nicht mit ihnen gesprochen wird. Ihnen wird vorgeworfen unpolitisch zu sein, und sich zu wenig für die Gesellschaft zu engagieren. Aber: Junge Menschen sind politisch interessiert und engagieren sich überproportional in und für die Gesellschaft. Dazukommt: Die derzeitige Debatte um die Asyl- und Migrationspolitik verunsichert insbesondere die junge Generation und spaltet. Politik trägt eine Verantwortung für demokratisches und menschenbasiertes Handeln. Wir erleben aber derzeitig eine rechtsextreme und populistische Stimmungsmache auf Kosten von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte. Junge Menschen wollen, dass ihnen zugehört wird, dass sie mitbestimmen können und dass sie Antworten zu ihren Themen erhalten. Hierfür muss Politik etwas tun. 

"Junge Menschen machen die Erfahrung, dass viel über sie, aber nicht mit ihnen gesprochen wird. Ihnen wird vorgeworfen unpolitisch zu sein und sich zu wenig für die Gesellschaft zu engagieren"

Welche Angebote gibt es, um die demokratische Verantwortung zu stärken? 

Broda: Viele. Mit Blick auf die Bundestagwahl ist am Freitag die U18-Wahl gestartet, die bis zum 14.02.2025 stattfindet. Kinder und Jugendliche können bei der U18-Bundestagswahl ihre Stimme abgeben und sich für die Themen einsetzen, die sie beschäftigen. Neben den Wahllokalen werden Diskussionsrunden mit Bundestagskandidat:innen durchgeführt und vieles mehr. U18 macht damit junge Stimmen sichtbar und Demokratie erlebbar.

Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie und Orte, an denen junge Menschen Verantwortung übernehmen, sich engagieren und Demokratie lernen. Junge Menschen bringen sich mit ihren Anliegen ein, treiben Themen voran und erleben, dass sie damit etwas bewirken. Sie erfahren damit Selbstwirksamkeit. Diese Orte sind wichtige Freiräume im Aufwachsen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und stärken unsere Demokratie.

Wie fühlen sich junge Menschen am meisten demokratisch eingeschlossen?

Broda: Wenn sie mit ihren Anliegen und Themen ernst genommen werden und die Erfahrung machen, dass sie mitgestalten können. Wichtig ist dabei Erfahrungen im Alltag zu ermöglichen - davon lebt unsere Demokratie.

Wie blicken Sie auf die Wahl - Was wünschen Sie sich für die jüngere Generation?

Broda: Wir brauchen strukturelle Beteiligungsrechte und eine starke Kinder- und Jugendpolitik, die die Themen und Anliegen der jüngeren Generationen aufgreift. Und wir brauchen eine veränderte politische Debattenkultur - Hass und Hetze bieten keine Antworten.