Wiesbaden (epd). Die Zahl der Niedriglohnjobs ist in den zurückliegenden zehn Jahren um 1,3 Millionen gesunken. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte, wurden im April 2024 rund 6,3 Millionen Beschäftigte (16 Prozent) mit einem Bruttostundenverdienst unterhalb der Niedriglohnschwelle von 13,79 Euro bezahlt. Im April 2014 und somit vor der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2015 befand sich noch mehr als jeder fünfte Job (21 Prozent) im Niedriglohnsektor. Die Schwelle lag damals bei 10,00 Euro brutto je Stunde.
Malte Lübker, der Entgeltexperte des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, sagte: „Dass die Zehn-Jahres-Bilanz so positiv ausfällt, ist vor allem der Einführung des Mindestlohns geschuldet und der Erhöhung auf 12 Euro durch den Deutschen Bundestag.“
Zum Niedriglohnsektor zählen laut den Statistikern alle Beschäftigungsverhältnisse (ohne Auszubildende), die mit weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenverdienstes entlohnt werden.
Der Anteil der schlecht bezahlten Jobs an allen Beschäftigungsverhältnissen halbierte sich laut Destatis in den östlichen Bundesländern im genannten Zeitraum nahezu: Der Anteil sank von 35 auf 18 Prozent. In Westdeutschland fiel der Anteil dagegen nur von 19 auf 16 Prozent.
Weiter teilte das Bundesamt mit, dass sich auch der Verdienstabstand zwischen Gering- und Besserverdienenden verringert hat: So erhielten Besserverdienende (obere 10 Prozent der Lohnskala) im April 2024 das 3,00-Fache des Bruttostundenverdienstes von Geringverdienenden (untere 10 Prozent der Lohnskala), im April 2014 war es noch das 3,48-Fache. Dabei zählte eine Person bis zu einem Bruttostundenverdienst von 13,00 Euro zu den Geringverdienenden und ab 39,05 Euro brutto pro Stunde zu den Besserverdienenden.
Nach wie vor war das Lohngefälle im Westen deutlich größer als im Osten: So erhielten Besserverdienende in Westdeutschland den 3,08-fachen Bruttostundenverdienst von Geringverdienenden, während Besserverdienende im Osten den 2,50-fachen Verdienst von Geringverdienenden erzielten. Im April 2014 lag der Verdienstabstand im Westen bei 3,47 und im Osten bei 3,31.
Experte Lübker verwies darauf, dass Deutschland im internationalen Vergleich noch immer einen großen Niedriglohnsektor habe: „Die nordischen Länder, aber auch Frankreich und Italien machen das besser. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier eine hohe Tarifbindung. Und zwar auch in den Branchen wie dem Einzelhandel und dem Gastgewerbe, in denen bei uns Niedriglohnbeschäftigung weit verbreitet ist.“
Für den Sozialverband VdK betonte Präsidentin Verena Bentele, dass noch immer überwiegend Frauen in schlecht bezahlten Jobs beschäftigt seien. Viele seien in Teilzeitstellen tätig, „denn auf ihnen lastet nach wie vor der Großteil der Care-Arbeit“. Eine gut bezahlte und versicherte Vollzeitstelle anzutreten, sei für Frauen oft unmöglich. „Die Folge sind niedrige Renten bis hin zu Frauenarmut.“ Bentele forderte, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Jobs umzuwandeln und den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen.