Als eine kurdischstämmige Abgeordnete Opfer eines Angriffs wird, wendet sich das Karriereblatt: Şirin Doğan (Idil Üner) ist in ihrer Wohnung überfallen worden, an ihrer Wand steht in blutroten Großbuchstaben "Letzte Warnung!". Die Politikerin ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Partei Bündnis Europa und hat nach eigenen Angaben viele Feinde: "Nazis, Islamisten, türkische Nationalisten, Männer mit patriarchalischem Frauenbild." Außerdem ist sie die kommende Polizeibeauftragte für Berlin. Darüber sind nicht alle begeistert.
Gerade erst hat sie rassistische Gewalt bei Festnahmen angeprangert. Ein von ihrem Büro verbreitetes Video zeigt eine uniformierte Beamtin, die bei der Verhaftung eines Schwarzen übertrieben brutal vorgeht. Später wird sich allerdings rausstellen, dass die kurze Sequenz nur die halbe Wahrheit erzählt. Ohnehin wird Schrader recht bald klar, dass alle Beteiligten eine eigene Agenda verfolgen, auch Oberstaatsanwalt Paschke (Davie Ruhland), der sie mit dem Fall betraut. Ihre Ermittlungen sollen der Öffentlichkeit signalisieren, dass die Behörden konsequent gegen rechtsextrem motivierte Straftaten bei der Polizei vorgehen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Hat sie Erfolg, wird Paschke die Lorbeeren ernten; scheitert sie, ist das ihr Problem. Politisch bewegt sich die Juristin zudem auf vermintem Gelände: In einem privaten Chat haben sich Mitglieder der Polizei offen rechtsextremistisch geäußert. Die Internet-Drohungen in Richtung Dogan, klärt Paschke die Kollegin auf, seien unmissverständlich: "Beleidigungen, Hasskommentare, Körperverletzung – das volle Programm." Die Berufung der Politikerin ins neue Amt mache die Rechten richtig wütend. Dogan ist gerade erst umgezogen, ihre Adresse ist geheim; der Angreifer in ihrer Wohnung war also entweder Polizist oder ist entsprechend informiert worden. Die Spur führt alsbald zu Sven Temme (Nicholas Reinke), der wegen Körperverletzung im Dienst entlassen worden ist.
Er hätte einen triftigen Grund, die Politikerin zu hassen: Seine Schwester ist von einem Mann erschossen worden, der eigentlich abgeschoben werden sollte; Dogan hat dies als Vorsitzende der Härtefallkommission verhindert. Die wegen der rechten Parolen durchaus heikle Geschichte ist außerordentlich fesselnd, aber Robert Hummel, der auch die Drehbücher für die früheren Fälle der "Jägerin" geschrieben hat (diesmal mit Peter Dommaschk als Koautor), ergänzt die Handlung um eine weitere persönliche Ebene, denn zur dritten Hauptfigur neben Schrader und ihrem Lieblingskommissar Jochen Montag (Dirk Borchardt) wird ausgerechnet jene Polizistin, die wegen des Videos suspendiert worden ist: Schrader kennt Jana Bloch (Sarah Mahita) von der Polizeiakademie.
Die junge Beamtin beteuert, sie sei weder Rassistin noch rechtsradikal; aber sie ist Temmes Freundin. Sehr zum Missfallen Montags, der der Kollegin nicht traut, schließen die beiden Frauen einen Pakt, der für Bloch böse enden könnte: Vom Sprengplatz der Polizei sind dreieinhalb Kilo TNT verschwunden. Sollte Temme ein Attentat auf Dogan planen und rauskriegen, dass seine Lebensgefährtin ihn bespitzelt, wäre auch sie in großer Gefahr.
Das Thema ist hochbrisant: Die Welt hat sich weitergedreht, aber nicht alle Polizeikräfte haben Schritt gehalten. Natürlich vermittelt das Drehbuch auch bestimmte Botschaften, doch davon abgesehen ist "Gegen die Wut" nicht zuletzt dank der gewohnt guten Musik von Chris Bremus ein durchgehend fesselnder Thriller, in dem es nicht eine Sekunde Leerlauf gibt; das Finale ist pure Hochspannung. Regie führte wie zuletzt beim dritten "Jägerin"-Film, "Riskante Sicherheit" (2023), İsmail Şahin. Neben der enormen Dichte imponiert seine Inszenierung vor allem durch die Leistungen des Ensembles.
Nadja Uhl und Dirk Borchardt sind ohnehin ein tolles Gespann, zumal der gebürtige Berliner, zudem noch Sohn eines Polizisten, für viel authentisches Lokalkolorit sorgt. Dass der LKA-Kommissar ein bisschen in die Staatsanwältin verliebt ist, beschert den gemeinsamen Szenen einen reizvollen Subtext. Sarah Mahita hat bereits mit der Kinokomödie "Beckenrand Sheriff" (2021) nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht und spätestens mit dem ZDF-Krimi "Laim und die schlafenden Hunde" (2023) gezeigt, dass in Zukunft noch oft mit ihr zu rechnen ist.